„Zum Abgrund – und zurück?“ Unter diesem Motto stand die diesjährige 54. Münchner Sicherheitskonferenz. Tatsächlich zeichnete der Vorsitzende der Konferenz, Wolfgang Ischinger, zu Beginn des renommierten Treffens ein düsteres Bild der internationalen Situation. „Die Warnlampen leuchten grell rot“, sagte Ischinger mit Blick auf die Krise in der Ukraine, den Atomkonflikt auf der koreanischen Halbinsel und den syrischen Bürgerkrieg, wo sich zuletzt die Konflikte zwischen den NATO-Partnern USA und Türkei aber auch zwischen Israel und dem Iran dramatisch verschärft haben.
Sigmar Gabriel bei der Ankunft und im Interview zur Freilassung von Deniz Yücel.
Dabei hatte die Tagung mit einem positiven Signal begonnen: Freitag vormittag gab die Tageszeitung „Die Welt“ bekannt, dass ihr Korrespondent Deniz Yücel frei ist. Ein Jahr war der deutsch-türkische Journalist in der Türkei inhaftiert. Entsprechend erleichtert zeigte sich Außenminister Sigmar Gabriel, der Gespräche mit türkischen Vertretern über die Freilassung Yücels geführt hatte, bei seiner Ankunft am Hotel Bayerischer Hof, dem Ort der Konferenz.
„Wir handeln gemeinsam mit unseren transatlantischen und europäischen Partnern“, betonte die deutsche Verteidigungsministerin.
Den Auftakt der Konferenz bildeten die Grußworte der deutschen Verteidigungmsinisterin Ursula von der Leyen und ihrer französischen Amtskollegin Florence Parly. Von der Leyen warb nicht nur für einen neuen Pakt für vernetzte und umfassende Sicherheit, sie betonte auch die Bereitschaft, die europäische Verteidigungsunion, die mit der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit in der Verteidigung (PESCOPermanent Structured Cooperation) aus der Taufe gehoben worden sei, weiter voranzutreiben. Deutschland wolle „transatlantisch bleiben und europäischer werden“.
Florence Parly bei Ihrer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Die Rede von Florence Parly machte deutlich, dass der deutsch-französische Motor auch in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wieder auf Touren kommt. Die französische Verteidigungministerin mahnte weitere Fortschritte in der europäischen Zusammenarbeit an, vor allem im Bereich der europäischen Verteidigungsindustrie. Darüber hinaus stellte Parly die europäische Interventionsinitiative vor. Der französische Staatspräsidenten Emmanuel Macron hatte vorgeschlagen, eine gemeinsame Doktrin, gemeinsame Strukturen und gemeinsame Finanzinstrumente für europäische Militäreinsätze zu entwickeln. Diese Initiative sei sowohl mit der PESCOPermanent Structured Cooperation als auch mit der NATO vereinbar, bemühte sie sich, eventuelle Sorgen vor konkurrierenden Verteidigungsstrukturen zu zerstreuen.
Stoltenberg sprach in München von einer „stahlharten Entschlossenheit“ der NATO.
Von der Europäischen Verteidigung zur NATO war es daher für den Generalsekretär der Allianz, Jens Stoltenberg, nur ein kurzer Schritt. Seine Rede in München war von der grundsätzlich positiven Grundstimmung für PESCOPermanent Structured Cooperation geprägt. Doch Stoltenberg machte zugleich klar, worauf es aus Sicht der NATO ankommt: „Ich möchte sicherstellen, dass wir nicht Doppelarbeit machen, sondern die EU-Säule der NATO gestärkt wird.“ Das sagte Stoltenberg auf dem traditionell transatlantisch geprägten Forum.
Darüber hinaus wurde eine Botschaft deutlich: Die US-Truppen kommen mehr und mehr nach Europa zurück. Damit reagieren die USA und die Allianz auf die aggressive und revisionistische Politik Russlands in Osteuropa und im Baltikum, vor allem seit der völkerrechtswidrigen Annektion der Krim und der russischen Einmischung in der Ostukraine.
Herbert Raymond McMaster auf dem Podium der 54. Münchner Sicherheitskonferenz.
Damit ist besonders für die Europäer ein Thema wieder auf dem Tisch, das längst abgehakt schien: der INFIntermediate Range Nuclear Forces-Vertrag über die Begrenzung atomarer Mittelstreckenraketen. Amerikas Nationaler Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster sprach hier eine klare Sprache, die teilweise an den Kalten Krieg erinnerte. Aufrüstung, Abschreckung – und Dialog. Russlands Außenminister Sergej Lawrow forderte hingegen mehr Transparenz beim Dialog zwischen Washington und Moskau.
Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel unterstrich in einer leidenschaftlichen Grundsatzrede, dass für die europäischen Partner trotz großer Errungenschaften und Fortschritte noch viel zu tun sei. Es fehle an einer eigenen geostrategischen Idee Europas. So wurden viele Probleme bei der 54. Münchner Sicherheitskonferenz erkannt. Doch sie sind damit noch lange nicht gebannt. Selbst wenn manche Akteure aneinader vorbeiredeten, machte dennoch Hoffnung, dass der Dialog weitergeht. Darum hat sich die Konferenz einmal mehr verdient gemacht.