Der NATO-Gipfel in Madrid steht vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges im Zeichen grundlegender Beschlüsse für die Sicherheit Deutschlands und des Bündnisses insgesamt. Dazu gehört unter anderem ein neues strategisches Konzept für die NATO.
Der NATO-Gipfel der Staats- und Regierungschefs vom 28. bis 30. Juni in Madrid ist ein besonderer Gipfel. Er gilt als „der“ Meilenstein für die Reformbemühungen der Allianz in den vergangenen Jahren. Der Gipfel findet in einer Zeit statt, in der Krieg in Europa ist und sich so in einem völlig veränderten Sicherheitsumfeld wiederfindet: Vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges steht er im Zeichen des transatlantischen Schulterschlusses sowie der gemeinsamen und abgestimmten Unterstützung der Ukraine. Vor diesem Hintergrund betonte auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im Vorfeld die Geschlossenheit der Allianz.
Es stehen richtungsweisende Beschlüsse an. Die NATO wird sich vor dem Hintergrund der wachsenden Herausforderungen ein neues strategisches Konzept geben. Es ist nach dem NATO-Vertrag das wesentliche Grundlagendokument, aus dem das Bündnis seine Politik, seine Fähigkeiten und sein operatives Handeln ableitet. Das Konzept dokumentiert, dass die NATO selbstbewusst im globalen Prozess steht. Das Konzept ist darüber hinaus auch ein wichtiges Kommunikationsinstrument sowohl in Richtung der eigenen Bevölkerung als auch in Richtung möglicher Gegner oder Herausforderer.
Im Kern handelt es sich dabei um ein modernes, glaubwürdiges, flexibles und durchhaltefähiges Verteidigungskonzept. Das strategische Konzept stellt das Ergebnis eines intensiven Reflexionsprozesses der NATO dar. Die Staats- und Regierungschefs haben die Aktualisierung des strategischen Konzeptes beim NATO-Gipfel im Juni 2021 beauftragt. Das Konzept soll die Blaupause für das politische und operative Handeln des Bündnisses jetzt und bei künftigen Krisen sein. Es fließt zudem ein in die erste Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik Deutschland, die gegenwärtig von der Bundesregierung erstellt wird.
Darüber hinaus wird es beim NATO-Gipfel um glaubwürdige Abschreckung, um Finanzfragen rund um die künftige Ausstattung der NATO gehen. In den Fokus rücken außerdem die Landes- und Bündnisverteidigung, aber auch internationale Einsätze und eine auf 360 Grad orientierte Allianz. Die NATO hat China und die Region Indo-Pazifik dabei ebenso im Blick wie die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus und die staatliche Instabilität südlich der Allianz.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat im Hinblick auf den Gipfel eine erhebliche Verstärkung der alliierten Abschreckungs- und Verteidigungskapazitäten an der NATO-Ostflanke in Aussicht gestellt. Die Allianz hatte angesichts von Russlands Aggression gegen die Ukraine Ende Februar 2022 die NATO-Verteidigungsplanung aktiviert und bestehende Rückversicherungs- und Abschreckungsmaßnahmen im östlichen Bündnisgebiet verstärkt (eVAenhanced Vigilance Activities, enhanced Vigilance Activities).
Zusätzlich wurden im südöstlichen Bündnisgebiet vier weitere NATO-Gefechtsverbände etabliert. Angesichts der veränderten Sicherheitslage in Europa steht damit eine tiefgreifende und strukturelle Anpassung der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten der Allianz an.
Beim NATO-Gipfel im vergangenen Jahr wurde beschlossen, die Gemeinschaftsfinanzierung der Allianz bedarfsgerecht auszuweiten und auszubauen. Auf Grundlage einer finanziellen Einordnung der neuen Herausforderungen soll ausgehend vom Gipfel in Madrid die weitere politisch-strategische Richtung vorgegeben werden.
Der Gipfel in Madrid steht im Zeichen der festen Zusage Deutschlands zum Zwei-Prozent-Ziel der Allianz. Deutschland wird im mehrjährigen Durchschnitt das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erreichen. Das hatte Ministerin Lambrecht im Vorfeld bekräftigt. Zudem werden mit dem beschlossenen Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro in den kommenden Jahren zusätzliche Investitionen in Ausstattung, Ausrüstung und in umfassende Modernisierung der Bundeswehr ermöglicht.
Als Konsequenz aus Russlands Angriff auf die Ukraine wollen bei diesem NATO-Gipfel Schweden und Finnland dem Bündnis beitreten. Deutschland unterstützt ihren Beitrittsantrag uneingeschränkt und setzt sich für einen zügigen Ratifizierungsprozess ein. Finnland und Schweden sind bereits seit Langem enge europäische Partner der NATO, die an dem durch Deutschland geführten Rahmennationenkonzept beteiligt sind. Sie erfüllen bereits jetzt alle NATO-Standards.
Seit dem strategischen Konzept von 2010 hat sich die NATO schrittweise wieder auf den Kernauftrag Bündnisverteidigung konzentriert.
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