Nur ungefähr neun Kilometer entfernt von den Institutionen der Europäischen Union in Brüssel sitzt die Organisation des Nordatlantikvertrages, kurz NATONorth Atlantic Treaty Organization. Gegründet durch die Unterzeichnung des Nordatlantikpakts (NATONorth Atlantic Treaty Organization-Vertrag) am 4. April 1949 versteht sich die NATONorth Atlantic Treaty Organization als Militärallianz und militärisch-politische Organisation mit 32 europäischen und nordamerikanischen Mitgliedstaaten. Die Zusammenarbeit von EUEuropäische Union und NATONorth Atlantic Treaty Organization auf einen Blick.
Die sicherheitspolitischen Herausforderungen Europas und seiner transatlantischen Partner haben sich grundlegend verändert. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, hybride Bedrohungen, geopolitische Spannungen im Indo-Pazifik, Cyberangriffe sowie die Bedrohung kritischer Infrastruktur stellen komplexe Risiken dar, die weder EUEuropäische Union noch NATONorth Atlantic Treaty Organization allein bewältigen können.
Trotz unterschiedlicher institutioneller Kulturen und Mandate ergänzen sich die Instrumentenkästen von NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union in einzigartigem Maße. Während die NATONorth Atlantic Treaty Organization der Eckpfeiler der kollektiven Verteidigung Europas bleibt, bietet die EUEuropäische Union den Mehrwert durch ihre umfassende Palette zivil-militärischer Instrumente. Sie kann eigene Instrumente im finanziellen, ökonomischen und diplomatischen Bereich einsetzen und damit die Möglichkeiten der NATONorth Atlantic Treaty Organization erweitern, ohne dass es zu unnötigen Duplizierungen kommt. Die EUEuropäische Union-NATONorth Atlantic Treaty Organization-Zusammenarbeit hat sich in konkreten gemeinsamen Projekten, abgestimmten Strategien und reaktionsfähigen Strukturen materialisiert.
Der völkerrechtswidrige russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hat die zwingende Notwendigkeit sicherheitspolitischer Koordination und Kooperation zwischen NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union erneut unterstrichen. Beide Organisationen haben unter anderem über die EUEuropäische Union-NATONorth Atlantic Treaty Organization Joint Coordination Cell#eng abgestimmt darauf reagiert – sowohl mit diplomatischen Initiativen, als auch durch militärische Unterstützung.
Die EUEuropäische Union hat mit EUMAMEuropean Union Military Assistance Mission Ukraine eine umfangreiche Ausbildungsmission ins Leben gerufen, bei der bislang mehr als 75.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten ausgebildet wurden. Die Mission operiert unter dem Kommando der Military Planning and Conduct Capability (MPCCMilitary Planning and Conduct Capability), dem militärischen Hauptquartier der EUEuropäische Union. Deutschland unterstützt EUMAMEuropean Union Military Assistance Mission Ukraine wesentlich mit der Bereitstellung des multinationalen Special Training Commands in Strausberg sowie mit der Durchführung einer Vielzahl von Trainingsmodulen auf deutschem Boden.
Parallel dazu hat die Allianz das NATONorth Atlantic Treaty Organization Security Assistance to Ukraine (NSATUNATO Security Assistance and Training Ukraine) ins Leben gerufen, welches die bilaterale und multilaterale Ausbildungsunterstützung für die Ukraine koordiniert. Es synchronisiert außerdem Mechanismen zur materiellen Unterstützung und leistet hierbei logistische Unterstützung. Deutschland ist einer der größten Unterstützer von NSATUNATO Security Assistance and Training Ukraine. EUMAMEuropean Union Military Assistance Mission und NSATUNATO Security Assistance and Training Ukraine stimmen sich eng ab.
Ein weiteres zentrales Kooperationsfeld ist die militärische Mobilität – die Fähigkeit, militärische Einheiten schnell, sicher und effizient über Landesgrenzen hinweg zu bewegen. Dies ist essenziell für die kollektive Verteidigung, aber auch für etwaige Krisenreaktionen. Laufende Projekte und Initiativen erzeugen einen Mehrwert sowohl für die EUEuropäische Union als auch für die NATONorth Atlantic Treaty Organization.
Die EUEuropäische Union finanziert über das Programm „Connecting Europe Facility – Military Mobility“ strategisch bedeutsame Infrastrukturprojekte, etwa Brücken, Straßen, Bahninfrastruktur und Tunnel, die militärisch nutzbar gemacht oder ertüchtigt werden. Bisher wurden über 1,6 Milliarden Euro in 35 Projekte investiert. Darüber hinaus zielt das PESCOPermanent Structured Cooperation Projekt Military Mobility der EUEuropäische Union insbesondere darauf ab, Verfahren und Prozesse in diesem Bereich zu vereinfachen und zu harmonisieren. An diesem Projekt sind auch die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner USA, Kanada und Norwegen beteiligt. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization definiert Mobilitätsanforderungen und prüft logistische Engpässe entlang ihrer sogenannten Mobility Corridors.
Während die EUEuropäische Union 2022 einen überarbeiteten Aktionsplan zu militärischer Mobilität verabschiedet hat, verfolgt die NATONorth Atlantic Treaty Organization einen projektbasierten Ansatz und hat 2023 mehrere multinationale Projekte im Bereich militärische Mobilität angestoßen. Militärische Mobilität ist dabei zuvorderst ein strategisches Thema: Ohne sie ist schnelle Reaktionsfähigkeit und letztlich glaubwürdige Abschreckung nicht möglich.
Die EUEuropäische Union-geführte Operation EUFOREuropean Union Force ALTHEA in Bosnien und Herzegowina, die seit 2004 die Aufgaben der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mission SFOR übernommen hat, ist ein besonderes Beispiel für die Zusammenarbeit im Rahmen der Berlin-Plus-Vereinbarung. Die EUEuropäische Union greift im Rahmen der Berlin-Plus-Vereinbarung zur Durchführung von EUFOREuropean Union Force ALTHEA auf Planungskapazitäten und die Kommandostruktur der NATONorth Atlantic Treaty Organization zurück. NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union teilen sich operative Ressourcen, logistische Unterstützung und Lageanalysen. Die Mission unterstützt die Umsetzung des Dayton-Friedensabkommens, trägt zur Stabilität der Region bei und fungiert als Plattform für den Wiederaufbau staatlicher Sicherheitsstrukturen in Bosnien und Herzegowina.
Die zunehmenden Sabotageakte gegen kritische Unterwasserinfrastruktur insbesondere in der Ostsee haben eine neue Dimension hybrider Bedrohungen offenbart. Die sogenannte russische Schattenflotte steht hierbei aktuell besonders im Fokus. Daraufhin haben NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union damit begonnen, ihre Zusammenarbeit beim Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur sukzessive auszubauen.
Im Februar 2023 wurde eine EUEuropäische Union-NATONorth Atlantic Treaty Organization Task Force for Resilience of Critical Infrastructure eingerichtet, die insbesondere maritime Kabel, Energiepipelines und Kommunikationsleitungen in europäischen Gewässern im Blick hat. Diese ist mittlerweile in den regelmäßig stattfindenden Strukturierten Dialog zwischen NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union aufgegangen.
Die NATONorth Atlantic Treaty Organization hat zudem ein Maritime Centre for the Security of Critica Undersea Infrastructure beim Allied Maritime Command in Großbritannien etabliert. Dieses Zentrum tauscht sich regelmäßig mit EUEuropäische Union-Agenturen wie der European Maritime Safety Agency (EMSA) aus. Gemeinsame Übungen wie „REPMUS“ verbinden zudem technische Fähigkeiten, Überwachungskapazitäten und Multinationalität. Ziel ist es, präventiv Bedrohungen zu erkennen, resiliente Systeme zu entwickeln und im Ernstfall rasch reagieren zu können.
Beim Gipfeltreffen der NATONorth Atlantic Treaty Organization in Madrid 2022 haben die Alliierten das NATONorth Atlantic Treaty Organization Force Model (NFMNATO Force Model) beschlossen, eine neue Kräftestruktur der NATONorth Atlantic Treaty Organization zur Umsetzung der Verteidigungspläne der Allianz. Das NFMNATO Force Model ist mit seinem regionalen Fokus (Arktis und Nordatlantik, Südeuropa und Südosteuropa) und in seinem Umfang ambitionierter, flexibler und reaktionsfähiger als die bisherige NATONorth Atlantic Treaty Organization Response Force, die seit 2025 durch das NFMNATO Force Model abgelöst wird.
Es folgt einem stufenweisen Ansatz, bei dem die Einsatzbereitschaft von 100.000 Soldatinnen und Soldaten innerhalb von 10 Tagen, 200.000 Soldatinnen und Soldaten innerhalb von 30 Tagen und 500.000 Soldatinnen und Soldaten innerhalb von 6 Monaten bei Bedarf sichergestellt werden soll. Allein die Bundeswehr stellt dabei in den ersten beiden Stufen, also bezogen auf die ersten 30 Tage, rund 35.000 Soldatinnen und Soldaten sowie mehr als 200 Flugzeuge und Schiffe.
Die EUEuropäische Union hat 2022 beschlossen, bis 2025 eine eigene schnelle Eingreiftruppe – die EUEuropäische Union Rapid Deployment Capacity (RDC) – aufzubauen. Dieses Instrument erlaubt es der EUEuropäische Union, bis zu 5.000 Soldatinnen und Soldaten schnell in Krisenregionen zu entsenden – sei es für Evakuierungen, Stabilisierung oder Unterstützung befreundeter Staaten.
Die RDC basiert auf den seit 2007 bestehenden EUEuropäische Union-Kampfverbänden (EUEuropäische Union Battlegroups), wird aber operativ flexibler, stärker modularisiert und mit einem eigenen strategischen Hauptquartier ausgestattet. Die EUEuropäische Union etabliert die RDC in enger Abstimmung mit der NATONorth Atlantic Treaty Organization, um Synergien bei Logistik, Nachrichtengewinnung und strategischer Mobilität zu nutzen. Im Jahr 2024 wurde die erste Vollübung mit einem RDC-Verband in Litauen gemeinsam mit NATONorth Atlantic Treaty Organization-Elementen durchgeführt. Mit der RDC zeigt die EUEuropäische Union, dass sie bereit ist, Verantwortung für schnelle Kriseninterventionen zu übernehmen – und das im Schulterschluss mit transatlantischen Partnern.
Im Januar 2023 unterzeichneten NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union ihre dritte Gemeinsame Erklärung zur strategischen Partnerschaft. Sie identifiziert neben den genannten Themenfeldern folgende weitere Schwerpunkte:
Die Erklärung bekräftigt außerdem das Prinzip der „strategischen Kohärenz ohne Duplizierung“, also die Vermeidung von Parallelstrukturen und die Betonung der Ergänzungslogik.
Mit den Amtsantritten der neuen Hohen Vertreterin der EUEuropäische Union Kaja Kallas, dem neuen EUEuropäische Union Kommissar für Verteidigung und Weltraum Andrius Kubilius, sowie dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Generalsekretär Mark Rutte entsteht zudem ein neues Momentum, die Kooperation von EUEuropäische Union und NATONorth Atlantic Treaty Organization weiter zu intensivieren. Wichtige Schritte hierfür sind unter anderem die durch den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Generalsekretär begonnene Übermittlung von NATONorth Atlantic Treaty Organization-Standards an die EUEuropäische Union sowie die Wiederaufnahme gemeinsamer Sitzungen des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees der EUEuropäische Union (PSKPolitisches und Sicherheitspolitisches Komitee) und des Nordatlantikrates (NAC) der NATONorth Atlantic Treaty Organization.
Die EUEuropäische Union und die europäischen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Alliierten verfolgen dasselbe Ziel: den Schutz und die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger. Besonders im Kontext der aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen ist es zwingend erforderlich, die Kooperation von NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union weiter zu vertiefen, um die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit Europas zu gewährleisten und krisenhafte Entwicklungen in der europäischen und damit auch transatlantischen Partnerschaft zu entschärfen.
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