Die Bundeswehr erhöht ihre Einsatzbereitschaft, um der veränderten Bedrohungslage gerecht zu werden. Dazu gehört, NATO-Anforderungen zur schnellen Reaktion erfüllen zu können. Denn Zeitenwende bedeutet, dass die Bundeswehr mit kurzen Vorwarnzeiten konkrete Aufträge im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung wahrnehmen kann.
Die völkerrechtswidrige Invasion Russlands der Ukraine hat die europäische Friedensordnung erschüttert. Landes- und Bündnisverteidigung ist kein abstraktes Szenario mehr. Im Rahmen der Bündnisverteidigung muss die Bundeswehr – diese umfasst die Streitkräfte und die Wehrverwaltung – im Krisenfall kurzfristig und weitestgehend aus ihrer Grundaufstellung heraus an den Außengrenzen des Bündnisgebietes zum Einsatz kommen können. Diese Kaltstartfähigkeit setzt vollkommen andere Planungen und Verfahren als Einsätze im internationalen Krisenmanagement voraus.
Anders als in Auslandseinsätzen werden diese Aufgaben nicht von maßgeschneiderten und von langer Hand für einen definierten Zeitraum ausgeplanten Kontingenten übernommen, sondern dauerhaft von stehenden Streitkräften und der Wehrverwaltung zu leisten sein. Auch werden größere Truppenkörper geschlossen operieren.
Darüber hinaus umfassen die heutigen NATO-Verteidigungsplanungen ein viel größeres Gebiet als noch im Kalten Krieg. Truppen, Material und Vorräte müssen bei Bedarf über weite Entfernungen zum Einsatzort transportiert werden. Dies erfordert einen hohen logistischen Aufwand. Sowohl für die eigenen Truppen als auch die Streitkräfte der Verbündeten hat Deutschland aufgrund seiner zentralen Lage in Europa die Rolle als „Drehscheibe“ inne. Insofern ist der reibungslose und zügige Transport von Personal, Material und Vorräten in und durch Deutschland von besonderer Bedeutung für die Kaltstartfähigkeit – sowohl für die Bundeswehr als auch für unsere Partner.
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In ihrem neuen strategischen Konzept stellt die NATO fest, dass Russland „die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euroatlantischen Raum“ darstellt. „Der militärische Kräfteaufwuchs Moskaus, auch im Ostsee-, Schwarzmeer- und Mittelmeerraum“ stelle die Sicherheit und die Interessen des Bündnisses infrage, heißt es in dem neuen Strategiedokument der Allianz, das auf dem Gipfel in Madrid beschlossen wurde.
Als Konsequenz ist die Bündnisverteidigung wieder Schwerpunktaufgabe für die NATO. Militärische Reaktionsfähigkeit, Reaktionsschnelligkeit sowie die Befähigung zum Aufmarsch sollen verbessert werden. Das bedeutet, dass sowohl Personal als auch Material in hoher Einsatzbereitschaft verfügbar sein müssen.
Dem dient die geplante materielle Vollausstattung inklusive Munition, Ersatzteilen und weiteren Verbrauchsgütern. Nur so können die von der NATO geplanten Bereitschaftszeiten eingehalten werden, wie es auch das neue NATO Force Model vorsieht. Das NATO Force Model, NFMNew Force Model, wurde auf dem Gipfel in Madrid beschlossen. Es sieht an Stelle der bisherigen NATO Response Force (NRFNATO Response Force) einen etwa sechsfach größeren Kräfteumfang für Abschreckung und Verteidigung in den ersten 30 Tagen nach Aktivierung der NATO-Pläne vor. Zusätzlich soll eine höchst flexible, schnelle NATO-Eingreiftruppe, die sogenannte Allied Reaction Force (ARF) die bisherige VJTFVery High Readiness Joint Task Force ersetzen.
Mit der neuen Streitkräftestruktur werden regionale Zuordnungen eingeführt, da nur so die ambitionierten Reaktionszeiten für die neuen Großverbände leistbar sind. Die entsprechenden Großverbände sind also im Voraus bestimmten Regionen und Gebieten zugewiesen – zum Beispiel an der NATO-Ostflanke –, bleiben jedoch an ihrem Heimatstandort stationiert. Wenn nötig, verlegen sie in ihr zugewiesenes Gebiet.
Wir werden die kollektive Reaktionsfähigkeit, Reaktionsschnelligkeit, Verlegbarkeit, Integration und Interoperabilität unserer Streitkräfte weiter erhöhen. Wir werden einzeln und kollektiv das volle Spektrum an Streitkräften, Fähigkeiten, Plänen, Ressourcen, Mitteln und Infrastruktur liefern, das zur Abschreckung und Verteidigung benötigt wird, und zwar auch für hochintensive dimensionsübergreifende Kriegsführung gegen gleichwertige Wettbewerber, die Kernwaffen besitzen.NATO Strategisches Konzept 2022
Die Voraussetzungen für eine verbesserte Kaltstartfähigkeit werden derzeit geschaffen. Im Juli 2022 hat das Verteidigungsministerium einen Sachstandsbericht zur laufenden Bestandsaufnahme vorgelegt. Hierbei werden die Funktionalität und Strukturen sowie die Organisation der Bundeswehr kritisch hinterfragt, um die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte und der Wehrverwaltung mit Blick auf die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) zu stärken.
Zur Verbesserung der Kaltstartfähigkeit werden derzeit, wo immer möglich und sinnvoll, feste Beziehungen zwischen Verbänden der Landstreitkräfte aus allen militärischen Organisationsbereiche bereits für Ausbildung und Übung etabliert. Im Heer finden dazu bereits die ersten Vorbereitungen statt, um für die unterstützenden Truppenteile feste „Andockstellen“ zu schaffen.
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