Hybride Kriegsführung ist grundsätzlich nichts Neues – doch NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union beschäftigen sich mehr denn je mit dieser Strategie. Im neuen Weißbuch zur Sicherheitspolitik taucht der Begriff rund zwei Dutzend Mal auf. Denn statt auf rein militärische Weise, werden Konflikte immer mehr auch mit zivilen Mitteln ausgetragen. Der zunehmende Einsatz hybrider Instrumente verwischt gezielt die Grenze zwischen Krieg und Frieden.
Jan Asmussen ist Privatdozent am Institut für Sicherheitspolitik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und zudem Professor an der Polnischen Marineakademie. Zu hybriden Formen der Konfliktaustragung hat er intensiv geforscht. „Ähnlich wie bei Hybrid-Autos mit gemischtem Antrieb, handelt es sich auch bei hybrider Kriegsführung um eine Mischform“, so Asmussen. „Dabei wird die klassische reguläre Form der Kriegsführung ergänzt durch irreguläre Taktiken – etwa verdeckt kämpfende Kräfte oder Cyberangriffe – in Kombination mit modernen Informationsmitteln.“
Es geht hybriden Akteuren darum, die Beteiligung an einem Konflikt möglichst plausibel bestreiten zu können und sich unterhalb der Schwelle eines bewaffneten Angriffes zu bewegen. Damit kann die politische Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit eines betroffenen Staates sowie die Anwendung des Völkerrechts erheblich verlangsamt und erschwert werden.
Der Wissenschaftler macht deutlich: Es geht stets darum, um die Deutungshoheit im Netz zu ringen. „Wenn es gelingt, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, hat man schon einen großen Teilerfolg erreicht“, sagt Asmussen. „Die eigene Bevölkerung soll mobilisiert und von der Richtigkeit der Sache überzeugt werden. Die Öffentlichkeit auf der anderen Seite soll dahingehend beeinflusst werden, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Politik ihrer Regierung nicht mehr mitträgt.“´
Staatlich gesteuerte „Internet-Trolle“ sind dafür nur ein Beispiel unter vielen: Getarnt als normale User oder Blogger manipulieren sie Berichte und Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Nach dem Abschuss des Flugzeugs MH17 über der Ostukraine trug dies maßgeblich zur Verwirrung bei.
Laut Weißbuch sind insbesondere offene demokratische Gesellschaften verwundbar durch hybride Attacken. Hier seien unter anderem die Medien gefragt, Propaganda zu entlarven. Doch der Anteil der Menschen, die der Presse misstrauen, stieg im vergangenen Jahr auf 49 Prozent. Dies geht aus einer Analyse der Universität Würzburg hervor. Asmussen sieht in dieser Entwicklung eine Gefahr: Das Vertrauen der Bürger in die faktenbasierte Aufklärung durch unabhängige Journalisten sei unverzichtbar. Diese Aufgabe der zivilen Medien sollte in einer Demokratie auch nicht von staatlichen Stellen übernommen werden.
Allerdings, so Asmussen, seien westliche Länder nicht unbedingt gefährdeter als andere Staaten. Entscheidend sei nämlich letztlich, inwiefern die Bürger sich tatsächlich beeinflussen lassen. Der Konfliktforscher ist überzeugt: „In demokratischen Gesellschaften mit einer Kultur der offenen Auseinandersetzung wird sich reine Propaganda nicht dauerhaft durchsetzen können.“
Propaganda und hybride Einflussnahme sind Themen, die weiter an Bedeutung gewinnen werden. Deshalb befasst sich auch das NATONorth Atlantic Treaty Organization Strategic Communications Center of Excellence in Riga mit hybrider Einflussnahme in den Medien und legt dazu öffentlich verfügbare Produkte vor.
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