Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, ist an diesem Freitag 100 Tage im Amt.
Herr General, Sie sind heute genau 100 Tage im Amt. Derzeit führen Sie Ihre Einsatz- und Dienstantrittsreisen in die Truppe durch. Welche Signale wollen Sie setzen?
Das Wichtigste ist mir, der Truppe zu vermitteln, dass sie einen ausgezeichneten Dienst verrichtet. Trotz der Defizite, die ohne Zweifel in vielen Bereichen vorhanden sind, begegnen mir durchweg Soldatinnen und Soldaten, die hoch motiviert und äußerst zuverlässig ihre Aufträge erfüllen.
Das gilt für den Grundbetrieb und vor allem auch in den Einsätzen. Denn diese Missionen finden nicht selten in sensiblen politischen Umfeldern statt. Hier agieren unsere Frauen und Männer mit Fingerspitzengefühl und großer Empathie.
Welche Eindrücke nehmen Sie aus Ihren persönlichen Gesprächen mit den Soldatinnen und Soldaten im Einsatz mit?
Zuallererst die große Überzeugung, mit der die Soldatinnen und Soldaten ihre teils sehr schwierigen und gefährlichen Aufgaben wahrnehmen. Allerdings wird mir auch berichtet, dass die Einsätze eine hohe Belastung darstellen. Das betrifft die sehr häufige und lange Abwesenheit von der Familie und der Heimat. Das gilt jetzt insbesondere für die Marine. Aber auch die Umstände in den Einsätzen oder bei „Enhanced Forward Presence“ in Litauen sind für alle fordernd. Die Soldatinnen und Soldaten machen das aber klasse! Sie erfüllen wirklich professionell ihren Auftrag.
Und zu Hause?
Bei der Truppe: Beim diesjährigen Tag der Bundeswehr besichtigt General Eberhard Zorn das Cockpit eines Airbus A400M.
In der Heimat ist die Situation etwas differenzierter zu betrachten. Dort haben die diversen Belange des Grundbetriebs häufig die Fragerunden mit den Soldatinnen und Soldaten geprägt. Darin kamen besonders die Soldatenarbeitszeit-Verordnung oder Fragen der Planungssicherheit auf den Tisch. Es gibt eine hohe Erwartungshaltung, gerade im Bereich der Gesetzesinitiativen, die wir jetzt angehen wollen. Die Stichworte lauten: Artikelgesetz, Besoldungsverordnung, Modernisierung und Entbürokratisierung oder Zulagenwesen. Das sind Themen, die in allen Gesprächsrunden angesprochen wurden und die besonders wichtig sind. Da höre ich genau hin. Weiter kommen häufig Fragen zur Ausbildung, so etwa zur Führungskräfteausbildung, aber auch zu Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten der Mannschaftsdienstgrade. Gerade vor dem Hintergrund der heute lang dienenden Mannschaftsdienstgrade ist das ein verständliches Anliegen, das ich gerne mit nach Berlin nehme.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte gedenken Sie als Generalinspekteur zu setzen?
Im persönlichen Gespräch: Im Juli besuchte der Generalinspekteur die Marinesoldaten am Marinestützpunkt in Eckernförde.
Meine wichtigste Aufgabe ist, die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte zu garantieren. Nach 25 Jahren des Schrumpfens und Sparens hapert es an vielen Dingen. Die eingeleiteten Trendwenden brauchen aber noch Zeit. Beispielsweise steht viel Material, das in den vergangenen Jahren bestellt wurde – allein für mehr als 30 Milliarden Euro in der vergangenen Legislaturperiode – noch längst nicht auf dem Kasernenhof.
Doch neues Material ist nicht die alleinige Lösung. Es geht mir auch darum, die Ersatzteillage für vorhandenes Material zu verbessern. Wir müssen, wie man so schön sagt, PS auf den Boden bringen. Denn wir sind an einem Punkt, an dem wir nicht mehr aus dem Bestand heraus leben können. Wir müssen jetzt unsere Bestände wieder auffüllen. Diese Prozesse müssen wir nun nach vorne bringen und beschleunigen. Allerdings bedingen sich Material und Personal gegenseitig.
Wir haben durch unsere Personalgewinnung und Personalbindung deutlich mehr Menschen für die Streitkräfte begeistern können.
Bei der bereits 2016 eingeleiteten Trendwende Personal bin ich dabei sehr zuversichtlich. Wir haben durch unsere Personalgewinnung und Personalbindung deutlich mehr Menschen für die Streitkräfte begeistern können. Zu einer echten Entlastung wird dieses zusätzliche Personal aber erst beginnend ab 2019. Dann kommen beispielsweise die ersten Feldwebel nach ihrer abgeschlossenen Ausbildung wirklich in die Truppe. Ab dann wird sich die Lage verbessern.
Zu den weiteren Erfolgen zählt beispielsweise auch die Möglichkeit, sich bis zu 25 Jahre zu verpflichten. Gleichzeitig haben wir gerade diesen länger dienenden Soldatinnen und Soldaten den Weg in die gesetzliche Krankenkasse geebnet. Darüber hinaus können inzwischen mehr Soldatinnen und Soldaten auf Zeit künftig Berufssoldaten werden. Hier haben wir die Quoten erhöht.
Beide Beispiele zeigen, dass wir – bei entsprechender Eignung, Leistung und Befähigung – flexibler geworden sind und auf die individuellen Bedürfnisse der Bundeswehrangehörigen eingehen. Und genau an diesen individuellen und flexiblen Faktoren arbeiten wir mit Hochdruck weiter.
In den letzten Tagen und Wochen war immer wieder die Rede davon, dass die Bundeswehr dringend mehr Geld benötigt, um ihre Aufgaben wahrzunehmen. Wie sehen Sie das?
Der beschlossene Haushalt 2018 ist aus meiner Sicht ein gutes Ergebnis. Wir erhalten mit der Steigerung auf 38,5 Milliarden Euro rund 1,5 Milliarden mehr als im Jahr 2017. Dazu kommen für das Jahr 2018 noch einmal gut 430 Millionen Euro für Tarifsteigerungen. Und auch der Regierungsentwurf zum Haushalt 2019 sieht gut aus. Der Verteidigungsetat soll dann auf 42,9 Milliarden Euro anwachsen. Das sind dann nochmal 4 Milliarden Euro mehr im Vergleich zum Haushalt 2018. Damit können wir die Trendwenden bis 2019 fortsetzen. Und alle größeren internationalen Rüstungsprojekte, insbesondere die geplanten europäischen Vorhaben, sind zumindest für das Jahr 2019 gesichert.
Und eines ist auch sicher: Es wird keine Abstriche bei der persönlichen Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten und im Betrieb geben! Allerdings muss die Finanzierung der Bundeswehr nun auch für die Folgejahre unterfüttert werden. Vor diesem Hintergrund sind mit Blick auf die aktuelle Mittelfristplanung noch deutliche Steigerungen in den anstehenden jährlichen Haushaltsverhandlungen zwingend notwendig.
Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie für die Streitkräfte in nächster Zeit?
Mehr Material, mehr Personal, mehr Geld, das muss die Truppe jetzt auch spüren!
Wenn wir den Zeitraum der nächsten vier Jahre sehen, dann geht es vor allem darum, die Trendwenden mit Leben zu füllen. Mehr Material, mehr Personal, mehr Geld, das muss die Truppe jetzt auch spüren! Und darüber müssen wir wieder mehr und direkter miteinander sprechen. Die Truppe muss wissen, was geplant wird, wie wir mit den vor uns liegenden Herausforderungen umgehen und welche Fortschritte die Trendwenden machen. Da ist jeder Vorgesetzter in der Pflicht, und dabei nehme ich mich überhaupt nicht aus – im Gegenteil!
Nicht umsonst habe ich die ersten Wochen meiner Amtszeit mit Reisen in die Truppe im Inland wie im Einsatz verbracht. Genau zuhören, miteinander reden, Informationen teilen, das ist aus meiner Sicht das Entscheidende – nicht nur bei meinen Dienstaufsichtsbesuchen, sondern überhaupt im täglichen Dienst.
Die Fragen stellte Jörg Fleischer.
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