Hybride Kriegführung verbindet militärische mit ökonomischen Mitteln und Propaganda in Medien und Social Media, um Spannungen anzuheizen und Verwirrung zu stiften. Die Grenze zwischen Frieden und Krieg verwischt, weshalb auch von hybriden Bedrohungen gesprochen wird. Mit Desinformation als Instrument hybrider Kriegführung soll die öffentliche Meinung beeinflusst und die Glaubwürdigkeit staatlicher Institutionen untergraben werden.
Aufgrund der Verbreitungsmöglichkeiten nutzen hybride Akteure zunehmend das Internet als Operationsraum. Angriffe aus dem Internet sind wirkungsvoll und leicht zu tarnen. Ein Fokus derartiger Cyber-Angriffe liegt auf der Beeinflussung der öffentlichen Meinung und beinhaltet das gesamte Spektrum von der gezielten Steuerung von Diskussionen in Sozialen Netzwerken bis hin zur Manipulation oder Fälschung von Informationen auf Nachrichtenportalen.
Beim Manöver Defender-Europe 2020 üben die US-Streitkräfte die Verlegung von Kräften aus den USA nach Osteuropa. Vor dem Hintergrund der Großübung mit bis zu 37.000 Teilnehmern wird der deutsche Brigadegeneral Hartmut Renk, derzeit Chef des Stabes der US-Army Europe, dahingehend zitiert, dass in Deutschland Schweine unter besseren Bedingungen gehalten werden als US-Soldaten auf polnischen Übungsplätzen. Dies soll der General über die Unterkünfte US-amerikanischer Soldatinnen und Soldaten in Polen gesagt haben. Tatsächlich hat er sich überhaupt nicht geäußert. Im Gegenteil: Für die Bedürfnisse der US-Truppen wird in Polen viel neue Infrastruktur geschaffen.
Es ist eine gefälschte Nachricht, sogenannte Fake News, die möglicherweise russischen Ursprungs ist. Quelle der falschen Zitate ist ein Beitrag auf einem in Zypern registrierten Onlineportal. Dieser hat aufgrund der sachlichen Darstellungen zum Manöver eine seriöse Anmutung; dabei werden die erfundenen Zitate im Text gestreut. Ziel ist es, die polnischen Streitkräfte und NATO-Verbündete negativ darzustellen und die manipulierte Nachricht in den Sozialen Netzwerken zu verteilen, um die polnische Übungsbeteiligung zu diskreditieren und innerhalb der NATO Misstrauen zu schaffen. Per Twitter hat die US Army Europe umgehend auf die Fake News reagiert und den Sachverhalt klargestellt.
Die zunehmende hybride Bedrohungslage hat bereits das Weißbuch 2016 als eine zukünftige zentrale sicherheitspolitische Herausforderung prominent aufgegriffen: „Grundlegende Voraussetzung für die eigene Reaktions- und Handlungsfähigkeit ist daher ein funktionierendes Frühwarnsystem.“ Im Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum wurden in den vergangenen Jahren entsprechende Analysewerkzeuge entwickelt. 2018 wurde das Projekt „Propaganda Awareness“ gestartet, das sich auf Propaganda konzentriert, die sich gegen die Bundeswehr in den Einsatzgebieten richtet.
Propaganda Awareness dient dabei als Oberbegriff für Desinformation und gezielt aus dem Kontext genommene oder frei erfundene Nachrichten. Entwickelt wird die Fähigkeit am Zentrum Operative Kommunikation der Bundeswehr. Recherche, Analyse, Abwehr und Resilienz sind hierfür die Zielvorgaben.
Die Widerstands- und Verteidigungsfähigkeit gegenüber hybriden Bedrohungen – die sogenannte Resilienz – geht über das Bereitstellen militärischer Instrumente hinaus. Offene und demokratische Gesellschaften bieten vielfache Angriffsflächen und sind damit in besonderem Maße durch hybride Aktivitäten verwundbar. Deshalb wird diese Herausforderung innerhalb der Bundesregierung ressortübergreifend angegangen und das Engagement der EU unterstützt. Der Europäische Auswärtige Dienst und die Europäische Kommission haben gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten einen Aktionsplan gegen Desinformation erarbeitet.
Das Tätigwerden der EU hat ein starkes Bündnis aus Journalisten, Faktenprüfern, Plattformen, Regierungen, nationalen Behörden, Forschern und der Zivilgesellschaft zur Abwehr dieser hybriden Bedrohung mobilisiert. Dabei geht es um besseres Erkennen von Desinformation, koordinierte Reaktion und Zusammenarbeit mit Online-Plattformen sowie Sensibilisierung für und Stärkung der Bürger gegen solche Maßnahmen.
Ein Beispiel dafür ist die „EU vs Disinformation“-Kampagne, um Desinformation besser vorherzusagen, ihr entgegenzuwirken und auf sie zu antworten. Die Kampagne wird von der East StratComStrategic Communications Task Force im Europäischen Auswärtigen Dienst durchgeführt. Die Gründung der Task Force war eine Reaktion auf anhaltende russische Desinformation. Unter dem Titel „Setting the record straight“ bietet die NATO auf ihrer Internetseite eine Übersicht zu Falschmeldungen und eine entsprechende Richtigstellung („debunking“) an.
Politik, Medien und Gesellschaft sind gleichermaßen gefragt, wenn es darum geht, Propaganda zu entlarven und ihr mit faktenbasierter Kommunikation entgegenzutreten.Weißbuch 2016
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