Brigadegeneral Peter Mirow ist seit November Kommandeur der europäischen Trainingsmission (EUTMEuropean Union Training Mission) in Mali. Im Interview lobt er die Arbeit seiner Truppe, aber spricht auch offen über die Sicherheitslage und den Friedensprozess.
Herr General, Sie sind nun ein halbes Jahr in Mali. Wie läuft die EUEuropäische Union-Ausbildungsmission?
Meine Bilanz ist gemischt. Die Zusammenarbeit zwischen Soldatinnen, Soldaten und Zivilisten aus 28 Nationen ist extrem bereichernd und funktioniert sehr gut. Auch das Engagement meiner Ausbilder ist überzeugend. Die Sicherheitslage hat sich in der vergangenen Zeit aber verschlechtert. Der Norden ist weiter instabil. Im Zentrum kommt es zu interethnischer Gewalt. Die Unsicherheit strahlt auf den Süden aus, wie wir beim Angriff auf meine Einrichtung in Koulikoro erleben mussten.
Wie haben Sie den Anschlag auf das Koulikoro Training Center (KTCKoulikoro Training Center) am 24. Februar erlebt?
Ich habe um drei Uhr morgens einen Anruf vom Kommandeur des KTCKoulikoro Training Center erhalten, dass ein komplexer Angriff stattfindet. Zwei Fahrzeuge, jeweils beladen mit über 500 Kilogramm Sprengstoff, haben versucht, den Eingangsbereich zu durchbrechen. Durch bauliche Maßnahmen und die professionelle Reaktion der Sicherungssoldaten konnten der Angriff und ein Eindringen feindlicher Kräfte abgewehrt werden. Die Qualität der Truppe, die ich führe, hat mich überzeugt.
Brigadegeneral Mirow lobt immer wieder die Fähigkeiten seiner Truppe und die gute Atmosphäre.
Welche Konsequenzen haben Sie aus dem Anschlag gezogen?
Wir haben diese Art von Angriff nicht für wahrscheinlich gehalten, aber alle Soldaten waren auf ihrem Posten und reagierten sehr professionell. Angesichts der verschlechterten Sicherheitslage müssen wir davon ausgehen, dass der Gegner beim nächsten Mal anders vorgehen könnte. Deshalb haben wir die baulichen Maßnahmen in Koulikoro nochmals erheblich verstärkt. Außerdem nehmen wir zusätzliche Absicherungsmaßnahmen vor – nicht nur bauliche Aspekte, sondern auch beim Einsatz der Kräfte.
Können sich die internationalen Kräfte noch frei bewegen oder wird der Einsatz zu gefährlich?
Ich spreche nur für EUTMEuropean Union Training Mission Mali. Für meine Soldaten gibt es keine grundsätzlichen Einschränkungen, aber wir berücksichtigen natürlich die Sicherheitslage. Wenn wir konkrete Hinweise auf bevorstehende Anschläge erhalten, passen wir unser Verhalten an. Ich kann im Moment nicht erkennen, dass der Einsatz zu gefährlich für die EUEuropäische Union wird. Das hängt aber auch davon ab, ob die anderen internationalen Missionen in Mali ihren Aufgaben ebenfalls nachkommen können.
EUTMEuropean Union Training Mission ist eine Ausbildungs- und Beratungsmission. Wäre ein exekutives Mandat sinnvoll?
Es gibt ja bereits zwei robuste Mandate: Die französisch geführte Operation Barkhane und die VNVereinte Nationen-Mission MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali. Für die Sicherheitslage insgesamt sind die malischen Streitkräfte zuständig. Ich erkenne keinen Mehrwert, wenn das Mandat der EUEuropäische Union geändert werden würde.
Wo sehen sich Handlungsbedarf bei der EUEuropäische Union-Mission?
Den größten Bedarf sehe ich bei der Ausstattung. Die malischen Soldaten brauchen mehr Trainingsmaterial. Deutschland und andere Länder haben sich bereiterklärt, Material und Munition zur Verfügung zu stellen, was uns sehr helfen wird. Ein weiteres Defizit ist die Zahl der französischsprachigen Ausbilder und Berater. Ich werbe bei meinen internationalen Gesprächspartnern stets für mehr französischsprachiges Personal. Bei der praktischen Ausbildung spielt das weniger eine Rolle. Beim Unterricht verlieren wir aber 50 Prozent der Effektivität, weil die Hälfte der Zeit übersetzt werden muss.
Haben sich durch die Sicherheitslage auch die Ausbildungsinhalte verändert?
Ja, Mali ist mittlerweile ein Land das, wie Afghanistan und Länder des Mittleren Ostens, von vielen IEDImprovised Explosive Device-Anschlägen beherrscht wird. In den vergangenen Wochen haben wir außerdem zweimal gesehen, dass eine malische Kompanie in der Nacht überrannt worden ist. Die malische Seite hat uns gebeten, die Bereiche Counter-IEDImprovised Explosive Device, Konvoi-Schutz und Sicherung von Stellungen noch intensiver auszubilden.
Freudige Kinderaugen: Die EUEuropäische Union-Kräfte werden von der Bevölkerung positiv aufgenommen.
Die meisten malischen Soldaten gehen nach der Ausbildung wieder in den Norden. Bekommen Sie eine Resonanz, wie sich die Lehrinhalte im Kampf auszahlen?
Wir begleiten die malischen Soldaten nicht im Feld. Die Rückmeldungen, die ich von der malischen Seite bekomme, sind aber sehr positiv. Sie sind dankbar für den Beitrag, den wir leisten. Das gilt auch für die französische Operation Barkhane, die gemeinsam mit malischen Kräften ins Gefecht geht.
Im Juni geben Sie das Kommando über EUTMEuropean Union Training Mission Mali ab. Was nehmen Sie mit?
Die Zusammenarbeit in der Mission ist sowohl von den Fähigkeiten als auch der Atmosphäre sehr gut. Die gute Zusammenarbeit betrifft auch meine malischen Ansprechpartner im Militär. Wir sind freundlich aufgenommen worden – auch von der Zivilbevölkerung. Mit den Fortschritten können wir aber nicht zufrieden sein. Die Sicherheitslage ist ja nur eines der Probleme. Es geht um Demografie, sozioökonomische Entwicklung und gute Regierungsführung.
Wie sehen Sie die Chancen beim Friedensprozess in Mali?
Es gibt ein permanentes Bemühen im Land. Die malische Regierung und die internationale Gemeinschaft versuchen beim Friedensprozess Fortschritte zu erzielen. Aber man muss festhalten, dass die Schritte nur sehr klein und stückweise sind.
Lohnt sich der Aufwand der Europäer?
Das ist eine Frage, die politisch in Berlin, Brüssel und den anderen Hauptstädten bewertet werden muss. Militärisch kann ich sagen, dass wir und auch die anderen Missionen einen erheblichen Beitrag leisten, um die malischen Streitkräfte zu unterstützen. Die Soldaten stemmen sich gegen die Verschlechterung der Sicherheitslage und erleiden täglich Verluste. Militärisch lassen sich die Konflikte in Mali aber nicht lösen.
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