Deutschland übernimmt international mehr Verantwortung im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik – vor allem in Afrika. Ein wichtiges Instrument ist die Ertüchtigungsinitiative, die es seit 2016 gibt. Was genau hinter dem Begriff steckt und welche Ziele die Bundesregierung mit ihr verfolgt – Antworten auf diese Fragen gibt es hier.
Um die Sicherheit im eigenen Land zu erhöhen, gilt es, weltweite Krisen am besten gar nicht erst entstehen zu lassen und gleich ihre Ursachen zu bekämpfen. Präventiv gegen schwelende Konflikte vorzugehen und auf diese Weise Krisen überhaupt erst am Ausbruch zu hindern. Das ist die Hauptstrategie der sicherheitspolitischen Akteure, auch Deutschlands.
So viel zur Theorie.
Ein Wundermittel oder ein Zauberwerkzeug allein, mit dem dieses Ziel erreicht werden kann, existiert nicht. Verschiedene Bestandteile innerhalb einer Gesamtstrategie müssen zusammenwirken, um die angepeilten Ziele zu erreichen. Ein Baustein ist die Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung. Auch sie hat ihrerseits viele Facetten.
Grundsätzlich geht es um Hilfe zur Selbsthilfe. Über allem steht die Überzeugung, dass prinzipiell lokale Akteure Konflikte vor Ort besser lösen können als Staaten oder Bündnisse, die von außen einwirken. Oft fehlen den regionalen Partnern jedoch Mittel und Möglichkeiten, sich zu engagieren. Es geht also darum, den lokalen Partner in die Lage zu versetzen, selbst für seine eigene und regionale Sicherheit zu sorgen.
Ein allgemeingültiges Rezept gibt es nicht. Jede Situation ist individuell zu analysieren. Hierfür bietet die Ertüchtigungsinitiative eine breite Palette von Möglichkeiten. Neben Ausbildung, Beratung und Aufbau von Infrastruktur sind auch – falls die Lage es erfordert – Rüstungsexporte möglich. Diese erfolgen unter Beachtung der bestehenden politischen Vorgaben zur Exportkontrolle. Die Ertüchtigungsinitiative bündelt alle bisherigen Erkenntnisse, die in den vergangenen Jahren im Bereich des Krisenengagements gewonnen wurden. Ihr großes Plus: Projekte können schnell und flexibel realisiert werden.
Deutschland hat die Idee, lokale Partner selbst in die Lage zu versetzen, für ihre Sicherheit zu sorgen, beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Dezember 2013 eingebracht. Das Konzept hieß zunächst „Enable and Enhance Initiative“, mittlerweile hat es die EU in „Capacity Building in Support of Security and Development“ umbenannt.
Mit diesem Konzept beabsichtigen Deutschland und seine EU-Partner, die Wirksamkeit der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU zu erhöhen. Da es auf EU-Ebene noch einige bürokratische Hürden zu überwinden gibt, wird die Initiative auf europäischer Ebene absehbar nicht vor der zweiten Jahreshälfte 2017 anwendungsreif.
Da Deutschland das Konzept für erfolgversprechend hält, geht die Bundesrepublik auf nationaler Ebene mit gutem Beispiel voran. Deutschland will auf diese Weise vor allem selbst helfen, aber auch den europäischen Prozess in Schwung bringen. Da weitere europäische Staaten – wie Frankreich beispielsweise – vor Ort ebenfalls nationale Initiativen voranbringen, erfolgt die Abstimmung oftmals in kleineren Gruppen. Das gilt auch für Akteure im internationalen Rahmen wie der NATO oder der G7Gruppe der Sieben.
Die Bundesregierung hat 2016 insgesamt 100 Millionen Euro bereitgestellt. 2017 sind es im Einzelplan 60 des Bundesfinanzministeriums 130 Millionen Euro. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für Verteidigung teilen sich gleichermaßen Verantwortung und Zuständigkeit. Beide Ressorts stimmen sich über Projekte ab und haben eine gemeinsame Budgetverantwortung.
Es gibt fünf Schwerpunktländer: Das sind Irak und Jordanien, in Afrika Tunesien, Mali und Nigeria. Auch wenn Niger nicht zu den Schwerpunktländern zählt, so laufen doch auch hier einige wichtige Projekte. Darüber hinaus gibt es Einzelprojekte beispielsweise mit den Vereinten Nationen und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWASEconomic Community of West African States.
2016 begannen etwa 50 Projekte; mittlerweile laufen über 70. Die Einzelprojekte sollen nicht zu komplex sein. Häufig stellt sich heraus, dass es sinnvoll ist, Folgeprojekte an ein Initialprojekt anzuknüpfen.
Die Projekte sind klar und detailliert beschrieben und in ihrer Zielsetzung genau definiert. Dass das Feedback der lokalen Partner durchweg sehr positiv ist, bestätigt das im BMVgBundesministerium der Verteidigung zuständige Referat in der Abteilung Politik. Zum einen fühlen sich lokale Akteure als „Partner auf Augenhöhe“ wahrgenommen. Darüber hinaus stellen sich schnell Erfolgserlebnisse ein, denn der Projekterfolg liegt in beidseitigem Interesse.
Über den vielen kleinen Einzelprojekten stehen die Gesamtziele, krisenhafte Entwicklungen mit überregionalen Auswirkungen frühzeitig zu entschärfen, die Eigenverantwortung der Partner zu stärken und eine gute Regierungsführung zu unterstützen.
Die Nähe der Partner vor Ort ist der entscheidende Faktor: Das Feedback erfolgt unmittelbar. Die deutsche Botschaft, deutsche Einsatzkontingente, militärische Berater oder Verbindungsoffiziere haben ein gutes Bild der Situation vor Ort. Das gilt natürlich auch für Akteure ziviler Organisationen – wie beispielsweise Mitarbeiter der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau.
In Mali wurden gerade zwei Munitionsbunker gebaut. Somit ist ab sofort eine sichere Lagerung der Munition gewährleistet. Das wiederum erhöht die Einsatzfähigkeit der malischen Streitkräfte. Für die Realisierung des Projektes wurde ein ortsansässiges Architektenbüro beauftragt, regionale Baufirmen setzten die Pläne um. Damit hatte dieses Projekt auch positive Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft.
Sensorgestützte, mobile Grenzsicherungsanlagen sollen Tunesien an der Grenze zu Libyen mehr Sicherheit vor IS„Islamischer Staat“-Kämpfern und Rückkehrern bringen, die über die Ostgrenze ins Land kommen. Diese Sicherungsanlagen sollen in einer Kommandozentrale überwacht werden. Dieses Ziel soll durch mehrere Teilprojekte erreicht werden. Hier erfolgt zudem eine Kooperation und Koordination mit den USA, die Tunesien im Bereich der Grenzsicherung ebenfalls unterstützen.
Auch in Nigeria geht es insbesondere im Norden des Landes um Unterstützung im Kampf gegen die Terrormiliz Boko Haram. Zu diesem Zweck werden mobile Bodenradarsysteme geliefert, mit deren Hilfe die nigerianischen Streitkräfte bessere Aufklärungsergebnisse erzielen können.
In Niger steht derzeit ein Logistikprojekt auf dem Programm. Mehr als 80 LkwLastkraftwagen in unterschiedlichen Größen soll das westafrikanische Land bekommen, damit die Truppen für die Aufgabe der Grenzsicherung mobil sind. Mit der Lieferung der Fahrzeuge endet das Projekt jedoch nicht, sondern die Soldaten werden auch ausgebildet, damit sie in der Lage sind, die Fahrzeuge zu reparieren und instand zu halten. Nachhaltige Unterstützung – das ist hier das Schlagwort.