Im Dezember 2015 kamen positive Nachrichten aus Nigeria: Die Terrormiliz Boko Haram sei „technisch besiegt“, verkündete Präsident Muhammadu Buhari. Tatsächlich war es den Nigerianern im Rahmen der Multinational Joint Task Force mit den tschadischen, nigrischen und kamerunischen Streitkräften gelungen, Boko Haram deutlich zu schwächen.
Im Sommer 2014 hatte Boko Haram die Herrschaft über ein Gebiet von der Größe Belgiens übernommen, Ende 2015 erstreckte sich ihre Kontrolle nur noch auf ein „Kalifat“ von einigen begrenzten Gebieten im Nordosten.
Doch nicht nur die Armee hat den Einfluss von Boko Haram gemindert: „Es gibt auch Machtkämpfe innerhalb der Terrormiliz“, berichtet Michael Roll, der für die Friedrich-Ebert-Stiftung im Land ist. „Es gibt mittlerweile zwei Gruppen, von denen die eine dem sogenannten Islamischen Staat und die andere eher al-Qaida nahesteht“, sagt der Experte. Die Miliz sei damit aber lange nicht besiegt. Sie habe vielmehr ihre Strategie verändert: „Statt Selbstmordanschläge zu verüben, fallen nun kleine Gruppen bewaffneter Männer auf Motorrädern in den Dörfern ein und töten die Einwohner.“
Die Spaltung der Miliz hat nach Einschätzung von Experten vor allem der bisherige Anführer Abubakar Shekaus zu verantworten, der sich 2015 dem IS„Islamischer Staat“ anschloss. Er galt als unbeherrscht und brutal. Seine Kämpfer griffen Moscheen und muslimische Märkte an, aber immer mehr Mitglieder seiner Miliz sollen sich dagegen gewehrt haben.
Selbst für den IS„Islamischer Staat“ war die Gewalt an den Sunniten offenbar nicht tragbar – die Terrormiliz verkündete, Shekau sei als Führer von Boko Haram durch den Sprecher der Gruppe, Abu Musab al Barnawi, ersetzt worden. Der kündigte an, Boko Haram werde künftig Christen ins Visier nehmen, statt Muslime zu töten.
Im April 2016 erhielten Hilfsorganisationen erstmals Zugang zu Gebieten im nordöstlichen Bundesstaat Borno, die zum Teil über Jahre hinweg von Boko Haram beherrscht wurden. Viele Dörfer und Städte sind zerstört, Felder liegen brach, Millionen Menschen benötigen Nahrungsmittel. „Die Angriffe von Boko Haram haben die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen in einer zuvor schon sehr armen Regionen zerstört“, so Roll.
Die Hungersituation in Nigeria ist nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen Unicef eine der wohl schlimmsten der Welt. Für die Hungernden in Nordnigeria und in den angrenzenden Ländern werden nach Berechnungen der VN rund 650 Millionen Euro benötigt. Bislang steht den Helfern weniger als ein Drittel dieser Gelder zur Verfügung.
Boko Haram, frei übersetzt „(westliche) Bildung ist Sünde“, ist seit 2009 in Nigeria, Kamerun, Tschad und Niger aktiv. Die Miliz hat bis heute etwa 20.000 Menschen getötet und Millionen aus ihrer Heimat vertrieben. Für weltweite Schlagzeilen sorgte die Gruppe 2014 mit der Entführung von 276 Schulmädchen aus Chibok, deren Schicksal über den Onlinedienst Twitter unter dem Hashtag #BringBackOurGirls bekannt wurde. 57 Mädchen gelang die Flucht, ein weiteres wurde im Mai 2016 gefunden. Es berichtete, sechs von ihnen seien tot, die anderen lebten noch als Sklavinnen von Boko Haram in Sambesi Wald.
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