Die Verteidigungsministerin hat Winfried Stecher als einen der ersten früheren Soldaten der Bundeswehr für erlittenes Unrecht wegen seiner Homosexualität rehabilitiert. Annegret Kramp-Karrenbauer überreichte ihm seinen Rehabilitierungsbescheid am 8. September im Bendlerblock.
Der ehemalige Offizier hatte Ende der 1990er Jahre einen Rechtsstreit gegen seine Ablösung als Ausbilder und seine Zwangsversetzung in den Innendienst geführt. Mit seiner Beschwerde ging er bis zum Bundesverfassungsgericht. Anlass der Versetzung war gewesen, dass Stecher mit seinem damaligen Lebensgefährten zusammengezogen war.
Unter dem Eindruck von Stechers Beschwerde und weiterer Klagen entschied der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping im Jahr 2000, die jahrzehntelange systematische Diskriminierung offen homosexueller Soldatinnen und Soldaten zu beenden. Auch aus heutiger Sicht handelt es sich bei den früheren Entscheidungen des Dienstherrn zulasten Homosexueller um Unrecht, das schweres persönliches Leid verursacht hat.
Wie berichtet, waren offen homosexuelle Bundeswehrangehörige auch nach der Aufhebung der Strafvorschrift für männliche homosexuelle Handlungen Ende der 1960er Jahre wegen ihrer sexuellen Orientierung weiter dienstrechtlich diskriminiert worden. So wurden Männer wie Stecher beispielsweise von Ausbildungsaufgaben entbunden, weil sie nach Meinung der Streitkräfte keine Vorbilder für Rekruten sein könnten. Viele homosexuelle Soldaten hatten in der Folge mit erheblichen Karrierenachteilen zu kämpfen. Wegen dieser Ungerechtigkeiten hatte Stecher die juristische Auseinandersetzung mit dem Dienstherrn gesucht.
Das Verteidigungsministerium hat diese systematische Diskriminierungspraxis der Streitkräfte mit einer wissenschaftlichen Studie aufarbeiten lassen. Ministerin Kramp-Karrenbauer hatte die Betroffenen im vergangenen Jahr um Verzeihung gebeten und ihre Rehabilitierung angekündigt. Mit dem im Sommer in Kraft getretenen „Gesetz zur Rehabilitierung der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen, wegen ihrer homosexuellen Orientierung oder wegen ihrer geschlechtlichen Identität dienstrechtlich benachteiligten Soldatinnen und Soldaten“ (SoldRehaHomG) wurden die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen. Nun werden die ersten Rehabilitierungsbescheide verschickt.
Das SoldRehaHomG hebt alle wehrdienstrechtlichen Urteile wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen auf. Männer und Frauen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung degradiert worden sind, können beantragen, ihren vorherigen Dienstgrad wieder zu führen. Zudem wird jedes aufgehobene Urteil mit einer Pauschalzahlung von 3.000 Euro entschädigt. Auch sonstige dienstrechtliche Benachteiligungen bis zum 3. Juli 2001 – zum Beispiel eine Entlassung oder wie im Fall Winfried Stecher die Ablösung als Ausbilder – werden mit einmalig 3.000 Euro entschädigt. Auch Benachteiligungen aufgrund der geschlechtlichen Identität sind von dem Gesetz erfasst.
Die Benachteiligung muss von den Betroffenen glaubhaft gemacht werden; etwa anhand geeigneter Dokumente. Hat der oder die Betroffene keine Unterlagen mehr zu Verfügung, kann im Einzelfall eine Versicherung an Eides statt abgelegt werden. Für die Regulierung der Ansprüche hat das Verteidigungsministerium eine Antrags- und Entschädigungsstelle eingerichtet.
Das Verteidigungsministerium schätzt, dass bis zu 1.000 frühere Soldatinnen und Soldaten anspruchsberechtigt nach dem SoldRehaHomG sein könnten. Um ihre Ansprüche schnell abzuarbeiten, wurde mit Inkrafttreten des Rehabilitierungsgesetzes das Onlineportal „Rehahom“ freigeschaltet. Nach der Registrierung unter der Internetadresse rehahom.bundeswehr.de können die Nutzer ihren Antrag digital stellen und zum Beispiel auch die Dokumente für den Antrag hochladen.
Rehabilitierungsanträge müssen bis spätestens zum 23. Juli 2026 gestellt werden: Das SoldRehaHomG ist auf fünf Jahre befristet. Im Hilfsbereich werden die wichtigsten Fragen der Antragstellenden beantwortet. Zudem gibt es ein Merkblatt zum Herunterladen, das über das SoldRehaHomG und das Antragsverfahren informiert. Wer nicht auf das digitale Angebot der Bundeswehr zurückgreifen möchte, kann seinen Rehabilitierungsantrag auch auf dem Postweg stellen.
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