Es ist Zeit für klare Worte, und die Verteidigungsministerin wählt sie mit Bedacht. Annegret Kramp-Karrenbauer tritt zum Auftakt der zweitägigen Bundeswehrtagung im Hotel Grand Hyatt ans Mikrofon. Die Ministerin hat für ihre Premiere auf der Tagung eine 40-minütige Rede vorbereitet. Vor den versammelten militärischen und zivilen Spitzenkräften der Bundeswehr schlägt sie den Bogen von den Ereignissen in Nahost und Nordafrika hin zur materiellen Einsatzbereitschaft der Truppe.
Ziel der Tagung ist, die wichtigsten Multiplikatoren aus Bundeswehr und Ministerium auf die kommenden Herausforderungen einzustimmen. Die Vorgesetzten sind außerdem aufgefordert, sich und ihre Sicht der Dinge einzubringen. Die letzte Bundeswehrtagung hatte im Mai 2018 stattgefunden. Es gibt also einiges zu besprechen.
Wie wichtig das Jahr 2020 für sie ist, macht die Verteidigungsministerin gleich zu Beginn deutlich: „Auf dieses Jahr kommt es an. Es ist in vielerlei Hinsicht unser Jahr Null.“ Mit den Trendwenden Finanzen, Material und Personal seien richtungsweisende Modernisierungsprozesse eingeleitet worden. „Die Trendwenden sind erfolgt, eine neue Richtung ist eingeschlagen. Aber das reicht noch nicht.“ Das Ziel müsse sein, dass die Verbesserungen für alle Soldatinnen und Soldaten spürbar würden.
Die Bundeswehr dürfe sich nicht damit zufriedengeben, die eingeschlagene Richtung einfach nur geduldig weiter zu gehen. Stattdessen seien „handfeste, messbare Ergebnisse“ insbesondere bei der materiellen Einsatzbereitschaft gefordert – und zwar noch in diesem Jahr. Dafür werde das Ministerium in Kürze im Rahmen der sogenannten „Initiative Einsatzbereitschaft“ eine Reihe konkreter Maßnahmen vorlegen, um die materielle Einsatzbereitschaft der Truppe zu erhöhen: „Dafür soll heute der Startschuss fallen.“
Besonderen Wert legte die Ministerin auf die Feststellung, dass die Ideen der „Initiative Einsatzbereitschaft“ samt und sonders aus den Reihen von Bundeswehr und Ministerium gekommen seien. „Es ist Ihr Programm, für das ich Ihnen die volle politische Rückendeckung gebe“, so Kramp-Karrenbauer an ihre versammelten Führungskräfte. Gemeinsam werde man die Bundeswehr für die Zukunft fit machen.
Die Entwicklungen in Nahost seit Jahresbeginn hätten erneut gezeigt, wie unberechenbar das internationale Umfeld geworden sei. „Wenn wir Stabilität wollen, dann müssen wir selbst mehr dafür tun.“ Deutschland komme aufgrund seiner Größe, seiner Kraft und seiner Lage besondere Verantwortung für eine stabile internationale Ordnung zu. „Es geht um die Handlungsfähigkeit Deutschlands und Europas und auch um den Willen zum Handeln“, so die Ministerin. Sie zeigte sich überzeugt, dass Deutschland eine aktivere Rolle in der Welt übernehmen müsse: „Das gilt auch für den Beitrag der Bundeswehr.“
Um diese aktivere Rolle nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auszufüllen, ist vor allem eines nötig: materielle Einsatzbereitschaft. Besonders bei der Beschaffung war es dabei zuletzt zu massiven Verzögerungen gekommen. Dies war unter anderem im Wehrbericht des Wehrbeauftragten des Bundestags bemängelt worden. Niemand könne mit der Situation zufrieden sein, so die Ministerin.
Sie werde es nicht mehr zulassen, dass seitens der Industrie mangelhaftes Gerät ausgeliefert werde. Bei der Instandsetzung werde wieder verstärkt auf eigene Kapazitäten gesetzt, ebenso bei der Beschaffung von Massengütern. „Dahinter steckt der Gedanke, dass wir manches einfach selber machen müssen und es nicht der Industrie oder Externen überlassen können.“ Die Bundeswehr sei als Referenzkunde der Rüstungsindustrie auch ein Türöffner für weitere Rüstungsgeschäfte, stellt die Ministerin klar. Deshalb wolle man künftig auch als solcher behandelt werden.
Insgesamt, so die Ministerin, sei die materielle Einsatzbereitschaft der Maßstab, an dem die Arbeit der Bundeswehr gemessen werde: „Ein weiteres Absinken unter 70 Prozent auch in diesem Jahr ist nicht akzeptabel. Ganz im Gegenteil: Ende des Jahres müssen wir bei der materiellen Einsatzbereitschaft besser dastehen als 2019.“ Das kann durchaus als Auftrag der Verteidigungsministerin an die 240 Spitzenkräfte im Saal verstanden werden. Anschließend stellt sich Annegret Kramp-Karrenbauer den Fragen der Zuhörer.