Nach dem Ausbruch der jüngsten Krise im Südsudan ist ein „Durchwursteln“ und Weitermachen wie bisher keine sinnvolle Strategie für die Staatengemeinschaft in der Zusammenarbeit mit der Regierung. Die Führung der Übergangsregierung hat ihre Legitimität verwirkt.
Der Südsudan – das jüngste Land der Welt – steht zum zweiten Mal in seinem fünfjährigen Bestehen kurz vor dem Kollaps. Beim letzten Mal, im Dezember 2013, brach ein Bürgerkrieg zwischen Präsident Salva Kiir und seinem ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar aus. Der Krieg kostete mehr als 50.000 Menschen das Leben, nahezu 200.000 Menschen flüchteten sich in die Camps der Blauhelmmission der Vereinten Nationen, nahezu zwei Drittel der Bevölkerung sind seitdem auf Nahrungsmittelhilfe von außen angewiesen. Anfang Juli, knapp ein Jahr nach Unterzeichnung des Friedensvertrags, stehen sich beide Seiten erneut in bewaffneten Auseinandersetzungen gegenüber.
Kaum ein anderes Land hatte so viel Unterstützung von außen erfahren. Westliche Geberländer, asiatische Unternehmen und die Nachbarländer – alle investierten in den Staatsaufbau, den Öl- und den Dienstleistungssektor. Die Regierungsmitglieder hingegen, investierten vor allem in sich selbst. Auch fünf Jahre nach der Unabhängigkeit gibt es kaum staatliche Schulen oder Krankenhäuser und auch Landwirtschaft und Infrastruktur sind kaum ausgebaut. Anders als Eritrea – das zweitjüngste Land, das knapp zwanzig Jahre zuvor die Unabhängigkeit errungen hatte – war der Südsudan zu Beginn in der Sparte der Mittleren Einkommensländer. Reicher als Äthiopien oder Uganda. Heute sind beide Länder arm und aus beiden fliehen die Menschen. Knapp eine Million Südsudanesen sind auf der Flucht.
Dabei waren die Erwartungen an den Südsudan nach der Unabhängigkeit enorm. Allerdings basierten sie weniger auf seriösen Analysen der Kapazitäten und Interessen der südsudanesischen Elite. Solange sich das Land aus der Umklammerung des islamistischen Regimes in Khartum befreien und durch die Internationale Gemeinschaft gestützt aufgebaut werden konnte, schien die Zukunft gesichert. Dass die südsudanesischen Eliten zur militaristischen Marginalisierungspolitik der Regierungspartei in Khartum den kleptokratischen Klientelismus und keineswegs eine demokratische Öffnung hinzufügten, wurde lange übersehen.
Die Führung im Sudan und Südsudan hat die eigene Bevölkerung um die Hoffnung nach Entwicklung und Frieden betrogen. Im Südsudan setzen die beiden Anführer auf ethnische Feindbilder, um die Gruppe des Gegners zu vernichten, oder wenigstens zu schwächen. Die ethnische Gruppe des Gegners wurde kollektiv zum Feind, die Kämpfer verübten vor allem gegen Zivilisten ungeheure Gräueltaten im Namen der eigenen Ethnie. Jetzt schließen sich die Minderheiten in Äquatoria der Seite Riek Machars an. Weniger, weil sie sich der Gruppe der Nuer verbunden fühlen, sondern weil der gemeinsame Feind nun die gesamte Dinka Bevölkerung geworden ist. Diesen tiefen Graben zu überwinden, der das Land auseinandersprengt und den sozialen Frieden vernichtet hat, wird schwieriger sein und länger dauern als die Beendigung von Kampfhandlungen.
Nachdem die Nachbarländer im Südsudan ein Friedensabkommen erarbeitet hatten, welches von beiden Parteien im August 2015 unterschrieben wurde, sehen sich auch die Nachbarn von der Regierung in Juba betrogen. Weder Präsident Kiir noch sein Vize Machar zeigten sich an der Umsetzung oder Einhaltung des Abkommens interessiert. Der Rückfall in die bewaffnete Auseinandersetzung hat dem Friedensabkommen jeden Boden und letztendlich auch der Übergangsregierung die Legitimität entzogen.
Jetzt gilt es, ein weiteres Fragmentieren und ein vollständiges Zusammenbrechen des Landes zu verhindern. Eine Friedenserzwingungstruppe der Afrikanischen Union könnte den Ausbruch weiterer Gewalt verhindern, die Ausbreitung der Konflikte durch die bestehende Blauhelmmission (UNMISSUnited Nations Mission in South Sudan) eingedämmt werden. Es geht auch um fundamentale Fragen nach der politischen Zukunft des Landes. Wer, wie die beiden Anführer Salva Kiir und Riek Machar, kein Interesse an der Umsetzung des Friedensvertrags gezeigt hat und keinerlei Verantwortung für das Leiden der Bevölkerung übernimmt, hat seinen Anspruch auf die Führung verwirkt.
Politische Unterstützung sollte denen zugutekommen, die über ihre eigenen Taschen hinaus an das Land und die leidtragende Bevölkerung denken. Darüber hinaus kann die Weltgemeinschaft mit Sanktionen und einem Waffenembargo Druck erzeugen.
Informationen zu Dr. Annette Weber |
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Dr. Annette Weber ist Sonderbeauftragte der Europäischen Union für das Horn von Afrika. Sie forschte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWPStiftung Wissenschaft und Politik) zu regionalen und innerstaatlichen Konflikten am Horn von Afrika, Fragen von politischer Ordnung, gesellschaftlichem Wandel und dem Staatsaufbau in fragilen Staaten. Sie ist Senior Fellow der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika. |
Der Artikel gibt ausschließlich die Meinung der Autorin wieder.
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