Am Beispiel der Mission in Afghanistan erklärt der Journalist Graeme Smith, seinerzeit Mitglied der International Crisis Group, im Interview, welche Bedeutung einzelne Kommandeure für eine bessere zivil-militärische Kooperation in Einsätzen haben können.
Graeme Smith arbeitet von 2012 bis 2015 als Senior Analyst für die International Crisis Group in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Zuvor hatte er als Auslandskorrespondent an verschiedenen Standorten für eine kanadische Zeitung gearbeitet.
Was sind Ihre Erfahrungen bei der Zusammenarbeit zwischen Streitkräften und zivilen Organisationen in Afghanistan?
Meine afghanischen Freunde vergleichen manchmal die Intervention des Westens nach 2001 mit der der Sowjets in den 80er Jahren. Oftmals höre ich dann Klagen darüber, dass die westlichen Organisationen weniger organisiert seien. „Die Kommunisten haben wenigstens immer nur ihre Order von einer Stelle aus Moskau bekommen“. Das ist natürlich eine zu holzschnittartige Sicht der Dinge aber wenn Afghanen nostalgisch werden, wünschen sie sich Anweisungen von einem Politbüro und nicht von einer ganzen Bandbreite von verschiedenen Quellen. Im Gegensatz dazu war die Mission nach 2001 vor allem durch eine schlechte Organisation und einen außerordentlichen Wettbewerb zwischen Regierungen, Agenturen, zivilen Hilfsorganisationen und eine verwirrende Anzahl verschiedener Akteure geprägt. Es gab keine einheitliche Vision, wie man in Afghanistan vorgehen wollte. Die Basisdokumente, wie die Bonner Vereinbarung oder der „Afghanistan Compact“ waren das Ergebnis politischer Kompromisse, keine schlüssigen und detaillierten Pläne. Konsequenterweise folgte in vielen Aspekten überkreuztes Arbeiten von militärischen und zivilen Akteuren. Für mich das eindeutigste Beispiel war die Art und Weise, wie das US-Militär den Geheimdienstapparat von Ahmed Wali Karzai, dem jüngeren Bruder des damaligen Präsidenten Hamid Karzai unterstützte, während die zivile U.S. Drug Enforcement Administration sehr aktiv darauf aufmerksam machte, dass der jüngere Karzai sehr wahrscheinlich in den Handel mit Rauschgift involviert war. Dieser Widerspruch hat sich erst aufgelöst, als Ahmed Wali Karzai 2011 getötet wurde.
Wie ist die Lage in Afghanistan aktuell?
Die Rücknahme der militärischen Präsenz seit 2015 hat zu einer verbesserten Zusammenarbeit der zivilen Akteure geführt. Natürlich gibt es noch viele Möglichkeiten, die Transparenz, die Reichweite und das Engagement der Zivilgesellschaft zu verbessern.
Was sollte verbessert werden?
Es kommt auf die handelnden Akteure an. Die besten Beispiele hingegen nie ursächlich mit einer institutionellen Änderung oder einer politischen Initiative zusammen. Sie waren immer abhängig von einem meinungsstarken Militärkommandeur, der die Bedeutung der zivilen Komponente erkannte und schätzte. Das betraf sogar manchmal die elitärsten und geheimsten Spezialeinsatzkräfte der USA. Unter der richtigen Führung gab es mit Journalisten, ThinkTanks und anderen Stakeholdern gute Debatten „off-the-records“ die allesamt zu einem besseren Verständnis untereinander führten. Diese Verbindungen führten wiederum zu besseren militärischen Entscheidungen und auch zu einem größeren Verständnis für das Militärische unter den zivilen Organisationen. Leider waren das über die ganzen Jahre in Afghanistan nur temporäre Erscheinungen, auch auf Grund der schnellen Rotation des militärischen und zivilen Personals. Längere Stehzeiten im Einsatzland wären hilfreich, um solche Probleme zu lösen.
Das Interview führte Thomas Franke.
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