Die Spitzen von Bundeswehrführung und deutscher Wirtschaft kamen am 5. Oktober im „Haus der Deutschen Wirtschaft“ in Berlin zusammen. Der Titel des neunten Experten-Workshops zum neuen Weißbuch lautete: „Perspektiven Wirtschaft und Sicherheit“ und es ging um noch viel mehr als „nur“ um ein sicheres Handelsumfeld.
Dass ein sichereres Handelsumfeld dringend notwendig ist, war allen Teilnehmern klar - „Common Sense“ sozusagen. Die deutsche Volkswirtschaft ist in mehrfacher Hinsicht von ihren internationalen Beziehungen abhängig. Alleine neun Millionen Menschen in Deutschland verdanken ihren Arbeitsplatz unmittelbar den weitreichenden internationalen Wirtschaftsbeziehungen und der starken Im- und Exportquote Deutschlands. Der „Frieden in der Welt“ bekommt mit der Brille eines Unternehmers daher auch sehr schnell ganz konkrete Umrisse: Sehr weit entfernte Länder, zum Beispiel in Südostasien, sind für viele deutsche Unternehmen sowohl Beschaffungs- wie auch Absatzmärkte. Die notwendigen verlässlichen und störungsfreien Handelsrouten über den gesamten Globus runden das Bild ab.
Worüber also überhaupt diskutieren, wo doch die Sache so klar und unstrittig scheint? Natürlich gab es unterschiedliche Sichtweisen, über die eifrig diskutiert wurde. Kann aus den globalen Aktivitäten deutscher Unternehmen zwangsläufig geschlossen werden, dass es damit auch globale politische Interessen Deutschlands einhergehen? Müssen deutsche Interessen nötigenfalls nicht nur am Hindukusch, sondern überall dort verteidigt werden, wo deutsche Unternehmen aktiv sind? Wie viel an Sicherheitsvorsorge müssen Unternehmen selbst leisten und wo dürfen sie sich auf den Staat und seine Organe verlassen? Wenn Konflikte durch Sanktionen begleitet werden - welche Mitspracherechte hat die Wirtschaft? Last, but not least: Ist die Rüstungsindustrie „eine ganz normale Branche“ und welche Verantwortung haben deutsche Regierungen gegenüber dieser besonderen Branche?
Ulrich Grillo, seinerzeit Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, machte in seiner Rede anlässlich des Kolloquiums deutlich: „Spionage, Sabotage, Organisierte Kriminalität und Terrorismus gefährden Unternehmen. Allein mit Blick auf 'Cyber' ist bis jetzt jedes dritte Unternehmen schon einer Attacke ausgesetzt gewesen; es sind Schäden von rund 80 Milliarden Euro entstanden.“ Nur, wer trägt die Verantwortung für den Schutz? Die damalige Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Katrin Suder, verwies in diesem Zusammenhang auf das unternehmerische Interesse und die Selbstverantwortung, sich ausreichend in diesem Bereich zu schützen. Aber es müsse Zusammenarbeit geben, schließlich ist die Bundeswehr selbst Ziel zahlreicher Attacken dieser Art.
Ganz anders als in virtuellen Welten verläuft die Grenzziehung zwischen den Verantwortungsbereichen, wenn es um das Gewaltmonopol von Staaten bei der Ausübung physischen Zwanges geht. Die Gewaltanwendung durch zivile Sicherheitsunternehmen dürfe nur in sehr engen Grenzen stattfinden und darf nicht als Ersatz für den Einsatz von Polizei und Streitkräften herhalten. Die Sicherheit und Unversehrtheit deutscher Staatsbürger zu sichern - das zum Bespiel ist und bleibt eine der wesentlichen Aufgaben deutscher Sicherheitspolitik.
Die damalige Staatssekretärin Katrin Suder spricht sich für eine engere Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und der Wirtschaft aus.
Auch aus diesem Grunde fordert die deutsche Wirtschaft ein verstärktes Engagement der sicherheitspolitischen Akteure und zwar ressortübergreifend. Sowohl die Budgets des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie des Verteidigungsministeriums müssen steigen, wie es Patrick Keller von der Konrad Adenauer Stiftung in der Paneldiskussion zusammenfasste. Das wurde von Staatssekretärin Suder dankbar aufgenommen. Auch sie setzte sich für den Abbau von „Ressortegoismen“ ein.
So betonten die anwesenden Vertreter der deutschen Wirtschaft der Bundeswehr ebenso Folgendes: Die Wahrung der ökonomischen Interessen Deutschlands gehöre ausdrücklich als Ziel deutscher Sicherheitspolitik formuliert, auch im neuen Weißbuch. Dazu braucht es einen stetigen Dialog zwischen Bundeswehr und Wirtschaft und „nicht nur alle zehn Jahre“, wenn ein neues Grundlagendokument anstünde.
Diesen Hinweis nahm Geza Andreas von Geyr, seinerzeit Leiter der Abteilung Politik im BMVgBundesministerium der Verteidigung, gerne auf: „Wir sprechen dieselbe Sprache!“ Diese zwingende Voraussetzung erleichtert sicher den Dialog. Dieser ist auch notwendig, eben aufgrund der Tatsache, dass zwar vieles, aber noch nicht alles klar ist, zwischen Bundeswehr und Wirtschaft.