Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wirbt in einem Offenen Brief für „respektvolle und menschenwürdige Umgangsformen“ in der Bundeswehr. Die Soldatinnen und Soldaten sowie zivilen Beschäftigten sollen sich in ihrem Umfeld wohl und respektiert fühlen. Um ein klares Zeichen gegen Vorkommnisse zu setzen, die den Werten zuwiderliefen, habe das BMVgBundesministerium der Verteidigung eine Ansprechstelle „Diskriminierung und Gewalt in der Bundeswehr“ eingerichtet.
Wir haben in der Bundeswehr in den letzten Wochen und Monaten viel über die Themen respektvoller Umgang miteinander, Prinzipien der Inneren Führung versus Diskriminierung und Herabwürdigung diskutiert. Auch um ein klares Zeichen zu setzen, haben wir am 3. Februar 2017 die Ansprechstelle „Diskriminierung und Gewalt in der Bundeswehr“ im Ministerium eingerichtet. Sie hat ein offenes Ohr für alle aktiven und ehemaligen zivilen und militärischen Bundeswehrangehörigen, die Mobbing, Diskriminierung, körperliche oder seelische Gewalt in unseren Reihen erfahren oder erfahren haben.
Wir wollen sicherstellen, dass wir in der Bundeswehr respektvolle und menschenwürdige Umgangsformen pflegen; dass wir ein Umfeld schaffen, in dem sich alle wohl und respektiert fühlen, ob Soldatin oder Soldat, zivile Mitarbeiterin oder ziviler Mitarbeiter. Nun hat mich eine umsichtige militärische Gleichstellungsbeauftragte auf den Fall einer Soldatin hingewiesen, die von einem Kameraden körperlich bedrängt und sexuell belästigt wurde. Und dies zur Anzeige brachte – wie ich finde, der richtige Weg. Was dann folgte, möchte ich als Vorgesetzte aller Soldatinnen und Soldaten wie zivilen Beschäftigten der Bundeswehr nicht unkommentiert stehenlassen. Die taatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Zu der Bewertung kann sie als unabhängige Behörde kommen.
Was aber völlig inakzeptabel ist, ist die Wortwahl, mit der die zuständige Staatsanwaltschaft ihre Entscheidung gegenüber der betroffenen Soldatin begründet: „Bei dem von Ihnen beschriebenen ,Imponiergehabe‘ des Beschuldigten (Posen, Muskelspiel, Aufforderung zum Sex, Griff an das Gesäß) ist jedoch nach allgemeinem (vorwiegend männlichem) Verständnis davon auszugehen, dass der Beschuldigte sein ,Interesse‘ an Ihnen damit kundtun und nicht, dass er Sie beleidigen wollte.“
Mit dieser Einschätzung bedeutet die Staatsanwaltschaft letztendlich einer Soldatin, sie müsse sich übergriffiges und unverschämtes Verhalten von Kameraden gefallen lassen, weil ein Griff ans Gesäß nach „vorwiegend männlichem Verständnis“ nicht beleidigend gemeint sei. Solche Interpretationen sind abenteuerlich und aus der Zeit gefallen. Denn sie machen den Mut zunichte, sich gegen sexuelle Belästigung zu wehren, und zerstören das Vertrauen von Opfern sexueller Übergriffe, an übergeordneter Stelle Verständnis und Schutz zu finden. Und es signalisiert potenziellen Tätern, dass Übergriffe schon okay sind, wenn es „nur“ darum geht, „Interesse“ an einer Frau oder einem Mann zu bekunden.
Ich möchte hier klarstellen: Für mich ist der Fall, so wie ihn die Gleichstellungsbeauftragte an mich herangetragen hat, – unabhängig von der Bewertung ziviler Instanzen – vor allem auch ein grober Verstoß gegen die Pflicht zur Kameradschaft. Und ich dulde in der Bundeswehr kein Verhalten, das die Würde, die Ehre und die Rechte auf sexuelle Selbstbestimmung von Soldatinnen oder Soldaten und der zivilen Beschäftigten verletzt. Ich sehe alle Vorgesetzten in der Pflicht, diesen Werten im Alltag Geltung zu verschaffen – unabhängig von der neuen Möglichkeit der Ansprechstelle im Ministerium, an die sich Betroffene jederzeit auch in solchen Fällen wenden können.
Wir wollen in der Bundeswehr ein Klima des Vertrauens, der Offenheit, des Respekts und der Unterstützung pflegen. In einer großen Organisation wie der Bundeswehr gab und gibt es immer wieder Vorkommnisse, die diesem Geist widersprechen. Aber die übergroße Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten wie auch der zivilen Beschäftigten lebt diese Haltung jeden Tag. Nicht zuletzt ihrem guten Ruf sind wir es schuldig, dass wir uns klar abgrenzen gegen jede Zweideutigkeit und jeden Zweifel.
Ich bitte Sie, dabei zu helfen!
Dr. Ursula von der Leyen
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