Das Bundesministerium der Verteidigung, politische und militärische Schaltzentrale der Bundeswehr, wird in diesem Jahr 70: Am Tag seiner Gründung, dem 7. Juni 1955 in Bonn, hieß es noch Bundesministerium „für“ Verteidigung, Vorgänger war das Amt Blank. Die junge Bundesrepublik Deutschland war gerade erst der NATONorth Atlantic Treaty Organization beigetreten.
Bereits kurz nach der Gründung der Bundesrepublik hatte ihr erster Bundeskanzler Konrad Adenauer im Oktober 1950 seinen Weggefährten Theodor Blank mit der Planung eines Verteidigungsbeitrags Westdeutschlands beauftragt. Die Pläne dafür wurden in der geheimen Himmeroder Denkschrift ausgearbeitet. Deren Titel „Über die Aufstellung eines deutschen Kontingentes im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Europas“ spricht für sich. Adenauer und Blank forcierten in dieser Hochphase des Ost-West-Konflikts einen sicherheitspolitischen Schulterschluss mit den USA und Westeuropa.
Bei der „Himmeroder Expertengruppe“ handelte es sich um einen Kreis von vergleichsweise politisch unbelasteten Generalstabsoffizieren der ehemaligen Wehrmacht. Sie war am 5. Oktober 1950 im Zisterzienserkloster Himmerod in der Eifel in Klausur gegangen. So nahm beispielsweise Adolf Heusinger teil, der spätere erste Generalinspekteur der Bundeswehr. Auch Hans Speidel war dabei, der später der erste Oberbefehlshaber der Alliierten Landstreitkräfte Europa Mitte werden sollte.
Zu den Ergebnissen dieser Klausur zählten Entwürfe zur Aufstellung starker konventioneller Landstreitkräfte, einer Marine und einer Luftwaffe. Mit anderen Worten: Die Planer beabsichtigten eine umfassende Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Vor diesem Hintergrund wurde Theodor Blank am 23. Oktober 1950 zum „Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“ ernannt.
Blank leitete die gleichnamige Dienststelle, die von anfangs 20 Mitarbeitende bis Juni 1955 auf 1.300 Mitarbeitende aufwuchs. Dieses sogenannte Amt Blank nahm seinen Sitz zunächst direkt am Museum Koenig und später in der Ermekeilkaserne in Bonn. Es war Nukleus und Vorläufer des künftigen Bundesministeriums für Verteidigung.
Die Schaffung eines solchen Ressorts war zur Gründung der jungen Bundesrepublik 1949 noch nicht möglich gewesen, da das Besatzungsstatut und weitere Gesetze der Alliierten Hohen Kommission die Wiederaufrüstung strikt untersagten. Zudem war die Frage der Wiederbewaffnung des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bevölkerung und im Parlament gleichermaßen äußerst umstritten. So diskutierte der Bundestag am 7. Februar 1952 die Frage eines deutschen Verteidigungsbeitrags sehr emotional. Die Debatte zog sich über zwei Tage hin.
Bundeskanzler Adenauer sprach sich in einer zweistündigen Regierungserklärung für einen solchen Verteidigungsbeitrag aus. Grundlage dafür war sein Kurs der Westintegration, der aus zwei wesentlichen Elementen bestand:
Der Kanzler ging davon aus, dass die junge Demokratie bei ihren Verbündeten nur dann als souveräner Partner auf Augenhöhe akzeptiert werden würde, wenn sie am System der kollektiven Sicherheit auch militärisch angemessen partizipierte. Zudem ging es darum, in die festen gemeinsamen Strukturen eingebettet zu sein. Ein Element dieser Struktur war das Verteidigungsministerium.
Vor diesem Hintergrund wurden die Arbeiten für den westdeutschen Verteidigungsbeitrag in der Bonner Ermekeilkaserne fortan unter dem neuen Namen „Bundesministerium für Verteidigung“ fortgesetzt. Zum ersten Minister wurde Theodor Blank ernannt. Das Ministerium übernahm den Sitz des Amts Blank in der Ermekeilkaserne im Süden Bonns. Etwa zeitgleich begannen die Planungen zum Bau von Gebäuden für das Ministerium auf der Bonner Hardthöhe. Dort wurde in der Folge das Ministerium, eine für damalige Verhältnisse moderne Liegenschaft, gebaut. Im Jahre 1960 begann der Umzug des Ministeriums von der Ermekeilkaserne auf die Hardthöhe. Sie ist bis heute einer von zwei Dienstsitzen des BMVgBundesministerium der Verteidigung. In Berlin ist dies der Bendlerblock.
Das Verteidigungsministerium auf der Hardthöhe bei Bonn im Jahr 1967
In den Anfangsjahren war es die vorrangige Aufgabe des Ministeriums, die Aufstellung der westdeutschen Streitkräfte zu planen. Diese stand wegen des sich zuspitzenden Ost-West-Konflikts unter erheblichem Zeitdruck. Im Zuge dessen ist die Ernennung der ersten 101 Freiwilligen zu Soldaten am 12. November 1955 durch Minister Blank in der Ermekeilkaserne eine wichtige Wegmarke in der Geschichte des neuen Bundesministeriums.
Der Fokus lag auf der sicherheits- und verteidigungspolitischen Einbindung der jungen Bundesrepublik in den Kreis der westlichen Partner. Es ging um den Bau von Kasernen samt Infrastruktur, Truppenübungsplätzen, Fliegerhorsten, Hafenanlagen und Bunkern. Darüber hinaus wurden die Grundelemente einer demokratischen Wehrverfassung geschaffen. Diese sahen eine klare Trennung zwischen Truppe und Zivilverwaltung vor. Für diese Aufgabe standen Minister Blank neben den Generalen Heusinger und Speidel auch Ernst Wirmer zur Seite. Er gilt heute als Wegbereiter der zivilen Bundeswehrverwaltung.
Zentrale Ereignisse für das neu gegründete Ministerium waren das Inkrafttreten der Wehrverfassung am 22. März 1956 und des Wehrpflichtgesetzes am 21. Juli 1956. Das Parlament legte eine Wehrpflichtdauer von zunächst zwölf Monaten fest. Die ersten Wehrpflichtigen traten am 1. April 1957 ihren Dienst an.
Die ersten Rekruten der Lehrgruppe Andernach in Marschkolonne auf dem Kasernengelände Andernach
Die Wehrpflicht war von enormer Bedeutung, weil die von Bundeskanzler Adenauer vorgegebene Zielmarke von 500.000 Soldaten anders gar nicht zu erreichen gewesen wäre. Diese stellte auch das Bundesministerium für Verteidigung vor Herausforderungen. Bei der Umsetzung der Wehrpflicht in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft wurde auf ein demokratisches Selbstverständnis der Streitkräfte Wert gelegt, das sich am Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ orientierte. Dieses Kernelement der Inneren Führung ist untrennbar mit den Generalen Johann Adolf Graf von Kielmansegg, Ulrich de Maizière und Wolf Graf von Baudissin verbunden.
Neu in der deutschen Geschichte war auch, dass die Streitkräfte der Kontrolle des Parlaments unterstellt waren. Dies verstand sich als bewusste Abkehr von der Tradition der Reichswehr und der Wehrmacht.
Am 16. Oktober 1956 stand im neu gegründeten Ministerium der erste große personelle Wechsel an. Im Zuge einer großen Kabinettsumbildung von Bundeskanzler Adenauer folgte Franz Josef Strauß dem bisherigen Ressortchef Blank als neuer Minister nach. Strauß, der bis zum 30. November 1962 das Amt innehatte, prägte die frühen Jahre des Ministeriums entscheidend. Er trieb wesentliche Ausrüstungsprojekte der Bundeswehr voran.
Gegen erhebliche gesellschaftliche Widerstände setzte Strauß die Befähigung der Bundeswehr zur nuklearen Teilhabe im Rahmen der NATONorth Atlantic Treaty Organization durch. Bei der Luftverteidigung steht er für die Beschaffung des US-Waffensystems Lockheed F-104 G Starfighter. Strauß engagierte sich für den Wiederaufbau der Wehrtechnischen Industrie in Deutschland, und zwar insbesondere der Luftfahrtsparte. Zudem forcierte er im Zuge des Kalten Kriegs den Aufwuchs umfangreicher Panzerverbände. Von der Spitze des Ministeriums aus formte er die Bundeswehr zu einer starken Streitmacht zur Abschreckung gegen den Warschauer Pakt. Sicherheitspolitisch machte er die Bundeswehr zu einem engen, transatlantisch orientierten Wertepartner in der NATONorth Atlantic Treaty Organization.
Das Bundesministerium für Verteidigung etablierte sich in seinen Anfangsjahren als starkes Fachressort für den Schutz der Bundesrepublik und deren Einbindung in die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Strukturen. Der Name Bundesministerium „für“ Verteidigung wurde am 30. Dezember 1961 – im Zuge der Angleichung der Bezeichnung an die der klassischen Ressorts wie Auswärtiges, Finanzen, Inneres und Justiz – in Bundesministerium „der“ Verteidigung geändert.
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