Die Patrouille kontrolliert ein Feld, als sie aus dem Hinterhalt beschossen wird. Deckung gibt es keine, die acht malischen Soldaten werfen sich auf den Boden und erwidern das Feuer. Sie versuchen sich vom Feind zu lösen. Aufstehen, ausweichen und in Stellung gehen, bis die schützenden Bäume erreicht sind. Ziel erreicht! Andris M. stoppt die Übung. Bei der Nachbesprechung erklärt der lettische Ausbilder, dass sich die Gruppe noch mehr abstimmen soll. Es geht darum, immer wieder eine Linie zu bilden. Die Soldaten sollen nicht fliehen, sondern geordnet ausweichen und den Feind niederhalten.
Für die malischen Soldaten ist die Übung sehr real. Oft geraten sie im Norden bei Patrouillen unter Beschuss. Bei der EU-Ausbildungsmission in Mali (EUTMEuropean Union Training Mission) werden sie darauf vorbereitet. Die Kaserne in Ségou ist 250 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt. „Die Soldaten sind wahnsinnig motiviert und freuen sich über die Hilfe. Wir kriegen ein sehr positives Feedback“, sagt Sebastian S., einer von drei deutschen Ausbildern. Die meisten Malier sind aus der Region und kommen gerade aus dem Einsatz. „Für sie ist die Ausbildung auch eine Auszeit.“ Danach geht es wieder in den Norden. Sebastian S. kehrt nach dem vierwöchigen Lehrgang ins Koulikoro Training Center (KTCKoulikoro Training Center) in der Nähe von Bamako zurück.
Nach der Übung geht es zur Auswertung und Taktikbesprechung mit dem lettischen Ausbilder.
Die dezentrale Ausbildung ist an die lokalen Gegebenheiten angepasst. Neben infanteristischen Taktiken werden Verwundetenversorgung, Kampfmittelabwehr und Völkerrecht gelehrt – das Ausbildungskonzept setzt an vielen Stellen an. Rund 20 Lehrgänge gab es bisher, von Ségou, Sévaré bis Timbuktu. Gesteuert werden die mehrwöchigen Schulungen aus Koulikoro, wo die zentrale Ausbildung stattfindet. In Ségou sind aktuell 13 Ausbilder aus Belgien, Irland, Estland, Lettland und Deutschland. Die Ausbilder sind Generalisten: Sie vermitteln die meisten Inhalte selbst.
„Der Ausbildungsgrad ist sehr unterschiedlich. Es ist schwer alle auf ein Niveau zu bringen“, sagt Sebastian S. Die malischen Soldaten sollen koordiniert vorgehen. „Die Kampferfahrenen sind oft etwas eingefahren.“ Vormittags ist das Programm sehr straff. Nachmittags bei mehr als 40 Grad sind die Zügel etwas lockerer, der Staub und die Hitze machen auch den Maliern zu schaffen. Die drei Deutschen trainieren eine Kompanie mit etwa 100 Soldaten, jeder führt einen Zug. Viele Kommandos geben sie in der Landessprache Bambara. Ohne Übersetzer geht es aber nicht, die meisten Malier sprechen weder Englisch noch Französisch.
Die Ausbilder in Ségou sind weit entfernt von ihren Kameraden. Wie gehen sie mit der angespannten Sicherheitslage um? Peter K. sieht es pragmatisch: „Wir sind gut ausgebildet und fühlen uns nicht unsicher.“ Das Ausbilderteam arbeite gut zusammen und werde von einer Force Protection geschützt. Der Bundeswehrsoldat ist überzeugt, dass sich die dezentrale Ausbildung auszahlt: „Wir sind näher dran an den Menschen und Regionen und kriegen andere Informationen. Dadurch können wir die Trainings flexibel gestalten und an lokale Erfordernisse anpassen.“ Stolz erklärt er, dass nur ganz selten jemand die Ausbildung abbricht.
Aufstehen, ausweichen und in Stellung gehen - die Soldaten lernen, sich vom Feind zu lösen.
Die internationalen Kräfte sind zu Gast und passen sich an die Gegebenheiten an – darum geht’s bei der dezentralen Ausbildung. Täglich pendeln die drei Deutschen in die Kaserne in Ségou. An den Trubel mussten sie sich gewöhnen. Andauernd fahren Motorroller durch die Straßen. Darauf sitzen nicht nur Soldaten, sondern auch Familienangehörige, die auf dem Gelände wohnen. Kinder spielen in alten Gebäuden, Ziegen durchqueren das Gebiet – in Deutschland unvorstellbar. „Es gibt hier ganz sicher weniger Ordnung und Hierarchien“, sagt Peter K., „beim Training sind die Soldaten aber voll bei der Sache.“
Die größte Sorge bereitet den Ausbildern die Ausstattung. Die malischen Soldaten bekommen nicht genügend Munition für die Trainings, auch das Gerät ist oft nicht nutzbar. Deutschland und andere Länder haben sich deshalb bereit erklärt, Material und Munition zur Verfügung zu stellen. Auch wenn die Voraussetzungen weiter schwierig sein werden, bleiben die deutschen Kräfte optimistisch und identifizieren sich mit ihrer Aufgabe. „Wir versuchen unsere Soldaten durch Vorbild zu führen.“ Sebastian S. bereitet unterdessen seinen Zug auf die nächste Übung vor. Zum Aufwärmen machen die Soldaten Liegestütze und legen die Beine dabei auf ihrem Vordermann ab – wie in der Grundausbildung. Ihr Trainer macht natürlich mit.
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