Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat am Mittwoch mit einer interaktiven Auftaktveranstaltung den Startschuss des BMVgBundesministerium der Verteidigung zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft gegeben.
Bei der virtuellen Diskussionsrunde mit dem Titel „Gemeinsam: Europa wieder stark machen: Prioritäten in Sicherheit und Verteidigung“ machte die Ministerin den verteidigungs- und sicherheitspolitischen Anspruch Deutschlands bei seiner EU-Ratspräsidentschaft deutlich. Der Anspruch sei, die Resilienz der EU im Bereich Sicherheit und Verteidigung umfassend zu stärken und einen strategischen Kompass für die EU zu entwickeln, so AKK.
Die Veranstaltung aus dem EU-Ratspräsidentschaftsstudio im BMVgBundesministerium der Verteidigung richtete sich per Livestream an eine breite Öffentlichkeit. Im Gespräch mit Moderator Christoph von Marschall, Korrespondent der Chefredaktion „Der Tagesspiegel“, und einem virtuell zugeschalteten internationalen Thinktank-Board betonte die Ministerin, sie wolle bei der deutschen EU-Ratspräsidentschaft dafür werben, dass Sicherheit und Verteidigung künftig nicht mehr vorrangig national, sondern zunehmend europäisch gedacht würden. Sie stelle zudem fest, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für das Thema in Europa stetig wachse. Gerade in Zeiten von Corona mache sie ein steigendes Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger nach Sicherheit aus. Die gegenwärtige Pandemie werde weitreichende Folgen haben, so AKK. Gerade in Zeiten wie diesen erwarteten die Bürgerinnen und Bürger eine starke EU, die sie in und trotz der Krise schütze. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft setze sich gemeinsam mit den Partnern tatkräftig dafür ein, dass Deutschland und die EU gestärkt aus der Corona-Krise hervorgingen, so AKK.
Die Fragen, die der Ministerin per Videozuschaltung gestellt wurden, reichten von „Wie schätzen Sie die aktuelle Bedrohungslage ein?“ über „Wie geht es mit der PESCOPermanent Structured Cooperation (Permanent Structured Cooperation) weiter?“ bis hin zu „Wie ist es um die Zukunft der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVPGemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik) bestellt?“
„Wir haben uns viel vorgenommen“, antwortete AKK. Sie machte im Gespräch mit Christoph von Marschall und rund 30 Thinktankern deutlich, dass das 21. Jahrhundert die internationale Staatengemeinschaft bislang kaum aus dem Krisenmodus entlassen habe.
Mehr denn je müsse die EU zusammenstehen und Klarheit über ihre Werte, Interessen und Ambitionen erlangen. Das gelte nicht nur in den Beziehungen zu Russland, sondern auch gegenüber China. Peking sichere seine wirtschaftliche und auch ideologische Expansion zunehmend auch aggressiv ab. Deshalb müsse Europa eine stärkere Kooperation mit befreundeten Staaten im indopazifischen Raum anstreben, so etwa mit Australien. „Die Freiheit der Schifffahrt ist auch in unserem Interesse“, so AKK.
Angesichts wachsender Herausforderungen werbe sie dafür, das europäische Projekt der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik weiter voranzutreiben. Die GSVPGemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik stehe vor zwei Kernaufgaben: Zum einen müssten Deutschland und die EU die innere und äußere Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger gewährleisten und bei der unmittelbaren Bewältigung der aktuellen Krise helfen. Zum anderen müsse die EU langfristig für eine Post-Corona-Zukunft aufgestellt werden.
Der Anspruch der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sei es, Europas Resilienz im Bereich Sicherheit und Verteidigung umfassend zu stärken. Deutschland werde alles dafür tun, dass Europa seine Rolle als handlungsfähiger Stabilitätsanker und globaler Akteur im internationalen Krisenmanagement festige und ausbaue.
Als wichtiges Instrument dazu werde es eine European Medical Cooperation 2.0 geben. Diese sei ein maßgeblicher Beitrag der Sanitätsdienste zur Stärkung Europas. Deutschland und die EU wollten ihre Resilienz noch während der aktuellen Krise erhöhen. Dazu bauten Deutschland und seine Partner das PESCOPermanent Structured Cooperation-Projekt European Medical Command (EMCEuropean Medical Command) als Nukleus für eine engere Kooperation und Resilienz der Streitkräfte in der EU in Krisenzeiten weiter aus. Ziel sei die Entwicklung und Lagerung leicht verlegbarer Sanitätskapazitäten – per Straße, Schiene und Lufttransport – für den Einsatz bei Epidemien und Pandemien.
Deutschland werde sich bei seiner EU-Ratspräsidentschaft mit weiteren neuen Impulsen einbringen. So gelte es, die Strategiefähigkeit der EU zu erhöhen. Eine EU, die global agiere, brauche klar umsetzbare strategische Ziele, so die Ministerin. Diese müssten allerdings von politischer Einigkeit getragen werden. Es gelte, sie mit aller Entschlossenheit und unter Nutzung des gesamten zivil-militärischen Werkzeugkastens der EU zu verfolgen.
Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU müsse zu einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung finden. Bei der deutschen EU-Ratspräsidentschaft werde sie daher die Entwicklung eines strategischen Kompasses als Operationalisierung der EU-Globalstrategie weiter vorantreiben, sagte die Ministerin. Damit gebe sich die EU die Richtung für ihr Handeln von morgen.
Der strategische Kompass mache die EU auch zu einem transparenten und verbindlichen Partner für die NATO und die Vereinten Nationen. Den Anfang bei diesem Projekt bilde eine gemeinsame Bedrohungsanalyse. Diese werde auch Pandemien als Herausforderungen berücksichtigen. „Das ist ein Novum“, stellte AKK heraus.
Zur Bildung euro-atlantischer Resilienz gehöre, die bewährte Kooperation von EU und NATO weiter zu vertiefen. Die Stärkung der EU müsse mit einer effektiveren Zusammenarbeit mit der NATO und der Stärkung ihres europäischen Pfeilers einhergehen. Deutschland werde sich für abgestimmte Fähigkeitsentwicklungen einsetzen, und zwar: beschleunigte Verlegbarkeit von Personal und Material durch militärische Mobilität, Verbesserung der Reaktionsfähigkeit durch gemeinsame Übungen sowie Kooperation vor allem in den Bereichen Cyberverteidigung, Planung und Resilienzbildung. Krisenmanagement, der Einsatz von Streitkräften bei der gemeinsamen Sicherheitsvorsorge sowie der Kampf gegen gezielte Desinformationskampagnen stünden im Zentrum der Initiativen.
Die PESCOPermanent Structured Cooperation-Projekte stellte die Ministerin als bedeutende sicherheits- und verteidigungspolitische Instrumente der EU heraus. Deutschland werde sich bei seiner EU-Ratspräsidentschaft tatkräftig dafür einsetzen, in einzelnen PESCOPermanent Structured Cooperation-Projekten greifbare Fortschritte zu erzielen. Dazu gehöre auch, die Regelung für eine Beteiligung von Drittstaaten zu stärken, so etwa Großbritanniens.
Die Ministerin warb in diesem Kontext einmal mehr für einen gemeinsamen Europäischen Sicherheitsrat, der sich aus dem E3-Format (trilaterales Format: Deutschland, Frankreich, Großbritannien) entwickeln könnte.
AKK ließ schließlich keinen Zweifel daran, dass Deutschland und die EU weiter in Verteidigung investieren müssten, um ihre Ambitionen auch unterlegen zu können. Deutschland unterstütze voll und ganz, dass mit dem Europäischen Verteidigungsfonds und der militärischen Mobilität erstmals die Rubrik Verteidigung im EU-Haushalt verankert werde.
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