Am 12. November 1955 wurden die ersten Freiwilligen der neu gegründeten Bundeswehr ernannt. Seit den 1990er-Jahren finden Vereidigungen und Gelöbnisse auch außerhalb von Kasernen statt, 2008 erstmals vor dem Reichstag. Das Areal am Sitz des Deutschen Bundestages dient für Gelöbnisse an besonderen Tagen: So sprach am 20. Juli 2008 der Altbundeskanzler und Weltkriegsteilnehmer Helmut Schmidt zu den Soldatinnen und Soldaten unserer Parlamentsarmee.
Altkanzler Helmut Schmidt (SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands) spricht am Sonntag (20.07.2008) in Berlin während des Gelöbnisses von Bundeswehr-Rekruten
„Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“ Für viele Soldatinnen und Soldaten markiert ihr Eid das Ende ihrer Grundausbildung – am 12. November 2025 wird dieser Schwur vor dem Reichstagsgebäude in Berlin zu hören sein. Bei einem feierlichen Gelöbnis legen rund 500 Rekrutinnen und Rekruten des Wachbataillons vor zahlreichen Gästen ihren Eid ab. Es ist ein historisches Datum für die Bundeswehr. 70 Jahre zuvor, am 12. November 1955, ernannte der damalige Verteidigungsminister Theodor Blank die ersten 101 Freiwilligen der neu gegründeten Bundeswehr.
Öffentliche Gelöbnisse sind keine Selbstverständlichkeit: Erst seit den 1990er-Jahren finden Vereidigungen außerhalb der Kasernen und damit frei zugänglich für die Öffentlichkeit statt. Das Reichstagsgebäude hat dabei eine besondere Bedeutung für die Bundeswehr. Als Sitz des Deutschen Bundestags steht es für die enge Verbindung von Parlamentsarmee und Politik.
Am 20. Juli 2008 wurden erstmals Rekrutinnen und Rekruten auf dem Platz der Republik vor dem Reichstag vereidigt. Zuvor fanden Berliner Gelöbnisse meist vor dem Bendlerblock, dem Dienstsitz des Verteidigungsministeriums, statt. Damit begann eine neue Tradition innerhalb der Bundeswehr. Das Datum war bewusst gewählt: Genau 64 Jahre zuvor war die Gruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg bei ihrem Attentatsversuch auf Adolf Hitler gescheitert und bezahlte diesen Widerstand mit ihrem Leben. Heute sieht die Bundeswehr dieses Ereignis aufgrund seiner Wertebindung, Zivilcourage und soldatischen Verantwortung als traditionsstiftend.
2008 stand vor allem eine Person im Mittelpunkt: Helmut Schmidt. Der Altkanzler hatte im Zweiten Weltkrieg kämpfen müssen und erinnerte die jungen Soldatinnen und Soldaten in seiner Rede an die Bedeutung demokratischer Kontrolle: „Ihr habt das große Glück – ganz anders als ich als Rekrut des Jahres 1937! – Ihr habt das Glück, einer heute friedfertigen Nation und ihrem heute rechtlich geordneten Staat zu dienen.“ Auch die außerordentliche Tapferkeit Stauffenbergs und seiner Unterstützer hob Schmidt damals hervor: „Die meisten der Frauen und Männer vom 20. Juli 1944 waren weitgehend ähnlich erzogen worden wie ich. Was sie aber auszeichnete, das war ihre Überzeugung, einen letzten Versuch zum Staatsstreich zu unternehmen.“
Helmut Schmidt war als Verteidigungsminister maßgeblich an der Weiterentwicklung der Bundeswehr beteiligt. Unter seiner Leitung wurde der Aufbau der territorialen Verteidigung vorangetrieben, zudem setzte er sich früh für ein rationales Verhältnis zwischen Sicherheitspolitik und gesellschaftlichem Diskurs ein.
Als junger Oberleutnant der Wehrmacht hatte Schmidt erlebt, wie der NSNationalsozialismus-Staat seine Streitkräfte frei von jeglicher parlamentarischer Zustimmung und außerhalb des geltenden Völkerrechts einsetzte. Nachts habe er Hitler verteufelt und tagsüber dennoch dessen Befehle als Soldat ausgeführt. Im heutigen Deutschland habe man solche Zustände als Soldat oder Soldatin nicht mehr zu befürchten. An die Rekrutinnen und Rekruten richtete Schmidt dazu klare Worte: „Ihr könnt euch darauf verlassen: Dieser Staat wird euch nicht missbrauchen. Denn die Würde und das Recht des einzelnen Menschen sind das oberste Gebot – nicht nur für die Regierenden, sondern für uns alle.“
Werte wie Menschenwürde, Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität und Demokratie hätten in Schmidts Augen ein Leben ermöglicht, wie es in Deutschland noch nie zuvor der Fall gewesen sei: „Heute leben wir alle unter einer besseren inneren Verfassung und in einer friedlicheren äußeren Verfassung als jemals die früheren Generationen.“ Mit ihrem Eid schwören die Rekrutinnen und Rekruten, diese Werte zu verteidigen – im schlimmsten Fall auch mit ihrem Leben.
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