Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat am vergangenen Mittwoch in Berlin das Weißbuch 2016 der Bundesregierung vorgestellt. Zuvor hatte das Bundeskabinett das oberste Grundlagendokument zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr beschlossen.
Die Bundesregierung gehe mit dem Weißbuch neue Wege. Von der Leyen betonte, das Weißbuch sei erstmals und von Beginn an in einem breiten, transparenten und offenen Prozess entstanden – unter Federführung des Verteidigungsministeriums und im Konsens aller Ministerien der Bundesregierung. An diesem Prozess, in den auch regelmäßig das Parlament mit einbezogen wurde, hätten sich von Beginn an über eineinhalb Jahre hinweg insgesamt rund 6500 Teilnehmer und 150 Experten in Workshops und Diskussionsrunden beteiligt. Auch die internationalen Partner Deutschlands seien involviert worden.
Das vorherige Weißbuch war im Jahr 2006 veröffentlicht worden. „Seit dieser Zeit hat sich die Sicherheitslage deutlich verändert“, sagte von der Leyen. Das sicherheitspolitische Umfeld sei seither durch eine „nie gekannte Dichte und Parallelität der Krisen“ geprägt. Dieser veränderten Lage trage das neue Weißbuch Rechnung.
Als Beispiele für die veränderte Situation seit 2006 nannte die Ministerin weiter das Aufkommen des sogenannten Islamischen Staates (IS„Islamischer Staat“), neue Gefährdungen aus dem Cyber-Raum, die Flüchtlingskrise sowie Pandemien wie Ebola.
Gefährdungen aus dem Cyber-Raum drohen auch auf dem Gefechtsfeld.
Auch die Rolle Deutschlands habe sich seit 2006 verändert. „Deutschland ist bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen und auch zu führen“, bekräftigte die Ministerin. Das sei auch die Erwartungshaltung der Alliierten und Partner Deutschlands. „Wir machen uns nicht größer, als wir sind, aber wir machen uns auch nicht kleiner, als wir sind.“ Deutschland kenne sein Maß. Diese Position finde sich im neuen Weißbuch deutlich wieder.
Deutschland sei als offene Gesellschaft auf globale Vernetzung und auf den Zugang zu internationalen Märkten angewiesen. Die Bundesregierung setze sich dafür ein, dass die regelbasierte internationale Weltordnung eingehalten werde. In diesem Zusammenhang hob von der Leyen die Zusammenarbeit in den Vereinten Nationen, der NATONorth Atlantic Treaty Organization und der EUEuropäische Union hervor. Die Sicherheitsvorsorge sei – wie zum Beispiel Gefährdungen aus dem Cyber-Raum zeigten – stärker als früher eine gesamtstaatliche Aufgabe, die nicht an Ressortgrenzen haltmache. Deutschland setze sich auch für den ungehinderten Zugang zu freien Informations-, Kommunikations- und Handelswegen ein. Die Krisenprävention müsse gestärkt werden, etwa durch Ertüchtigung wie im Nordirak, wo Deutschland mit entwicklungspolitischen, diplomatischen und militärischen Mitteln unterstütze.
Dazu müsse Deutschland seine Strategiefähigkeit verbessern, ein wichtiger Aspekt im Weißbuch. Die Bundesregierung müsse den vernetzten Ansatz konsequent weiterentwickeln und in der Umsetzung optimieren. Der Bundessicherheitsrat werde hierfür in seiner Rolle als „Impulsgeber“ gestärkt. Als Fernziel der Bundesregierung bezeichnete von der Leyen eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion. Ihr könnte sich schrittweise unter anderem unter dem Dach der Ständig Strukturierten Zusammenarbeit angenähert werden, um EUEuropäische Union-Mitgliedstaaten zu ermöglichen, auf dem Gebiet der Sicherheits- und Verteidigungspolitik „verlässlich, konsequent und auf Dauer“ zusammenzuarbeiten. Konkret schlug sie vor, ein zivil-militärisches EUEuropäische Union-Hauptquartier zu errichten und ein europäisches verlegbares Krankenhaus vorzuhalten.
Im neuen Weißbuch sei klar festgehalten: Für die Bundeswehr habe die Landes- und Bündnisverteidigung die gleiche Bedeutung wie das Krisenmanagement, sagte die Ministerin. Um ihren Aufgaben gerecht zu werden, benötige sie eine angemessene Ressourcen-Ausstattung. Die Trendwende beim Personal sei bereits eingeleitet, sagte von der Leyen: „Wir haben die starren Obergrenzen abgeschafft. Wir wollen einen atmenden Personalkörper.“ Ebenso hob sie die Trendwende beim Material hervor. Die Bundeswehr müsse auch finanziell so ausgestattet werden, dass sie ihre vielfältigen Aufgaben ausüben könne.
Stärkere Ausrichtung auf Multinationalität und Integration.
Bei der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern müsse die Bundeswehr stärker auf Multinationalität und Integration ausgerichtet werden. Auch nach innen werde sie sich vielfältiger aufstellen – u.a. mit mehr Frauen, Bürgern mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung sowie Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung. Von der Leyen lobte, die Bundeswehr habe in den vergangenen Jahren „einen gewaltigen Leistungsvorschuss“ erbracht. „Die Truppe braucht jetzt Verlässlichkeit.“
Im Rahmen des Weißbuch-Prozesses sei eine Debatte über den Bundeswehr-Einsatz im Innern in Gang gekommen. Diese Diskussion habe vieles geklärt, sagte von der Leyen. „Der Einsatz der Bundeswehr bei terroristischen Großlagen ist innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens möglich.“ Entscheidend sei, so die Ministerin, „dass wir jetzt in der Lage sind, so etwas in Deutschland zu üben“. Mit Baden-Württemberg und dem Saarland hätten bereits zwei Bundesländer ihr Interesse an einer Übung bekundet.
Die Ministerin betonte: Die Bundesregierung beschreite mit dem neuen Weißbuch 2016 neue Wege. Das Erscheinen des Weißbuches sei nicht das Ende der Diskussion, sondern erst der Anfang.
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