Der Weißbuchprozess ist mit dem Sortieren eines Kleiderschrankes vergleichbar. Wichtig ist zunächst die Struktur des Kleiderschrankes – das heißt eine sicherheitspolitische Grundlagenanalyse als Basis. Anschließend muss der Inhalt begutachtet werden. Welche Kleidungsstücke – das heißt welche sicherheitspolitischen Instrumente – sind vorhanden, in welchem Zustand befinden sie sich und sind die passenden Kleider für die entsprechenden Anlässe vorhanden?
In den vergangenen eineinhalb Jahren ist die Welt aus den Fugen geraten. Vor den Toren Europas, insbesondere an der Ost- und Südflanke der NATONorth Atlantic Treaty Organization, häufen sich schwere Krisen. Die sicherheitspolitischen Umwälzungen stellen langfristige, strukturelle Herausforderungen für Deutschland und die internationale Ordnung dar. Mit den menschenverachtenden Anschlägen von Paris hat der Terror in Europa eine neue Dimension angenommen. Diese Punkte müssen im neuen Weißbuch Berücksichtigung finden.
Deutschland trägt international Verantwortung bei der Bewältigung der aktuellen Krisen. Von besonderer Bedeutung ist dabei der ressortübergreifende Dreiklang aus Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit und Sicherheitspolitik.
Im Weißbuch stehen die Instrumente der Bundeswehr im Fokus. Unsere Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr übernehmen, auch angesichts der neuen Herausforderungen, immer mehr Aufgaben, die über den Kernauftrag der Bundeswehr hinausgehen: In Afrika halfen sie die Ebola-Epidemie einzudämmen, im Mittelmeer retten sie Migranten und Flüchtlinge aus Seenot und in Deutschland helfen sie bei deren Unterbringung und Versorgung. Neue militärische Herausforderungen erwachsen zudem aus dem Cyber-Raum, der wie bisher Land, Luft, See und Weltraum eine eigene Dimension darstellt. Er wird, wie die hybride Kriegsführung im Ukraine-Konflikt zeigt, militärisch genutzt. Diesem erweiterten Instrumentenspektrum der Bundeswehr muss das Weißbuch Rechnung tragen.
Angesichts der globalen Krisen und der erstarkten terroristischen Bedrohung rückt auch die Bündnis- und Landesverteidigung wieder in den Fokus. Eine stärkere Zusammenarbeit der Kräfte für äußere und innere Sicherheit wird zunehmend notwendig: Die Bundeswehr soll gemeinsam mit allen anderen nationalen Sicherheitsbehörden auch im Innern Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger schützen können und dürfen.
Eine modern ausgerüstete und schlagkräftige Bundeswehr ist für die Sicherheit unseres Landes dringend notwendig. Wir brauchen, neben ausreichend Personal, eine am Bedarf ausgerichtete Vollausstattung. Die Ausrüstung und das Gerät der Bundeswehr müssen beständig weiter- bzw. neu entwickelt werden. Dieses wichtige Ziel können wir nur im Schulterschluss mit der deutschen Rüstungsindustrie erreichen. Hierzu müssen die System- und Hochtechnologiefähigkeit der heimischen Wehrtechnik unbedingt erhalten werden. Wir brauchen auch künftig qualitativ hochwertige Produkte sowohl für die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr, als vor allem auch zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten.
Die aktuelle weltpolitische Lage macht deutlich: Keines der Elemente unseres sicherheitspolitischen Instrumentenkastens ist verzichtbar. Dies lässt sich auch durch das Bild des Kleiderschranks veranschaulichen: Auch der schönste Smoking kann seine Wirkung nicht entfalten, wenn dazu gelbe Gummistiefel getragen werden. Wir brauchen also Verständnis für alle sicherheitspolitischen Instrumente, auch die militärischen! Hierzu kann das Weißbuch einen Beitrag leisten.
Informationen zu Julia Obermeier |
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Julia Obermeier ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. Zuvor war sie unter anderem Referentin im Planungsstab der CSUChristlich-Soziale Union-Landtagsfraktion sowie Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Büro des Generalsekretärs der CSUChristlich-Soziale Union. Obermeier hat an der Ludwig-Maximilians-Universität München Politikwissenschaft studiert. |