Die Experten auf dem Podium machten sich ihre Aufgabe nicht leicht. Sie wagten einen Blick in eine Zukunft, die sich angesichts der schnellen Veränderung der jüngsten Zeit ganz anders darstellt als noch etwa vor Jahresfrist. Daher waren sich die Diskutanten zu Beginn darüber einig, dass der Prävention, also der vorbeugenden Krisenbewältigung, zukünftig deutlich mehr Aufmerksamkeit zukommen müsse.
Für die bestehende europäische Sicherheitsarchitektur in EU und NATO ergebe sich ebenfalls eine Verschiebung der Akzente, sagte Generalleutnant Heinrich Brauß als Vertreter der NATO. Aufgrund der geopolitischen Position und seiner Einflussmöglichkeiten so Brauß, käme Deutschland eine stärkere Rolle zu. Deutschland müsse das Rückgrat einer europäischen Verteidigung sein, und daher sei es hervorragend, dass der Zeitplan zum Erarbeiten des Weißbuchs parallel zum Zeitplan des Planungsprozesses der Nato laufe. So ließe sich dieser neue Akzent synchronisiert in die Grundlagenarbeit einbringen.
In der Diskussion kristallisierten sich schnell drei Schwerpunkte heraus: zunächst sind die Perspektiven und Fähigkeiten der Bundeswehr beeinflusst von den Ereignissen in der Ukraine. „Heute muss Bündnisverteidigung im Osten auch als Landesverteidigung verstanden werden“, lautete eine These. Zweiter Schwerpunkt: finanzielle Mittel. Auch hier herrschte nahezu Konsens unter den Diskutanten, dass mehr Haushaltsmittel nicht zwingend zu mehr Sicherheit führe. Zunächst müsse definiert werden, welche Fähigkeiten zukünftig gebraucht würden, um anschließend dafür sorgen zu können, dass nur gekauft werde, was auch benötigt wird. Dritter Schwerpunkt: Selbstverständnis der Angehörigen der Bundeswehr. Neben Attraktivität und Fähigkeiten müsse eine bundeswehrgemeinsame Orientierung hin zu mehr Interoperabilität und Integration führen.
Mit Blick auf bestehende multinationale Verbände, etwa das Deutsch/Niederländische Korps in Münster, wurde betont, dass es jetzt darauf ankomme, den Wechsel von Kooperation zur Integration voran zu bringen. Gerade am deutsch-niederländischen Verband mit seinem hohen Grad der länderübergreifenden Integration werde deutlich, wie sich jeweilige Stärken zum Nutzen der Gesamtheit einbringen ließen.
Podium der Arbeitsgruppe 4
Übereinstimmend stellten die Anwesenden fest, dass Themen übergreifend die hybride Kriegsführung als neues Element und der Kampf im Cyberspace bedeutenden Einfluss auf die zukünftige Ausrichtung haben werden. „Diese beiden Elemente sind nicht an Landesgrenzen gebunden“, hieß es vom Podium. Daher sei die Krisenbearbeitung nicht nur eine Frage der Zusammenarbeit verschiedener nationaler Behörden. Innere und äußere Sicherheit seien nicht mehr scharf voneinander zu trennen, hieß es.
Themenübergreifend wurde damit auch deutlich, dass die Perspektive der Bundeswehr im vernetzten Ansatz liege, also in der Ressort- und Länderübergreifenden Nutzung aller den Bündnispartnern zur Verfügung stehenden Mittel. Dies unterstrichen auch die Politiker auf dem Podium: „Zukünftig müssen wir über die nationalen Grenzen hinweg auch festlegen: Welche Soldaten wollen wir haben, mit welchem Ausbildungsstand.“ Daher müsse die Idee einer grenzüberschreitenden Vereinheitlichung von Ausbildung aufgenommen werden. „Allein sind Konflikte nicht mehr zu lösen“!