Im Verlauf der Beteiligungsphase zum Weißbuch 2016 tagten im Juni 2015 zahlreiche hochrangige und renommierte internationale Experten zum Thema „Perspektiven Hybrider Kriegführung“. Der Experten-Workshop wurde gemeinsam vom International Institute for Strategic Studies (IISSInternational Institute for Strategic Studies) aus London und dem Bundesministerium der Verteidigung veranstaltet. Seitens des IISSInternational Institute for Strategic Studies leitete Nigel Inkster den Workshop. Er antwortete auf Fragen der Redaktion der Bundeswehr.
Sie beendeten den Workshop heute mit der Feststellung: „Wir bieten ein breites Spektrum an Auffassungen und Meinungen“. Aber die hybride Kriegführung hat keine einfache Definition und es gab kein einheitliches Ergebnis. Glauben Sie vor diesem Hintergrund, besonders in Bezug auf das Militär, dass Soldaten bedenken müssen, wie die Folgen militärischer Handlungen (auch für die Zivilbevölkerung) nach Außen kommuniziert werden, anstatt sich nur in kriminelle Sichtweisen einzudenken?
Gerade in der heutigen Welt muss man damit rechnen, dass Reaktionen öffentlich bekannt werden. Insofern ist jede Reaktion gleichzeitig eine Kommunikation. Ich halte es für enorm wichtig, dass die Streitkräfte diese breiteren Zusammenhänge berücksichtigen. So glaube ich, ist es seit einiger Zeit schon so, dass militärische Befehlshaber ohne zwei wichtige Begleitpersonen kaum noch unterwegs sind: Eine davon ist der Rechtsberater, die andere der Kommunikationsberater. Diese Personen, diese Fähigkeiten sind mittlerweile ein integraler Bestandteil militärischer Operationen.
Welchen Stellenwert besitzen technologische Fähigkeiten und technische Ausrüstung auf dem Feld hybrider Kriegführung?
Sie werden sicherlich extrem entscheidend sein, denn die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien haben ja, aufgrund ihrer Unmittelbarkeit und Allgegenwart, unsere Kommunikation grundsätzlich verändert. Hinzu kommt die Tatsache, dass jeder, der ein einfaches Smartphone besitzt, ein sogenannter „Bürger-Journalist“ sein kann oder, wie einer der Podiumsgäste es heute nannte, ein ‘Informationsakteur’. Jeder hat die Möglichkeit, ein Foto zu machen, es online zu stellen und dadurch die öffentliche Meinung auf globaler Ebene zu beeinflussen. Es ist ganz wichtig, dass sich die Leute dessen bewusst sind. Eine wesentliche Rolle spielt die Technik natürlich auch im Cyberbereich, und zwar nicht nur als Überträger von Informationen, sondern auch als „Gleichmacher“, der viel schwächere Akteure deutlich stärkt und teilweise sogar auf eine Ebene mit den mächtigsten Akteuren stellt. Deshalb wird es immer wichtiger, sich dieser Tatsachen bewusst zu sein und deren Bedeutung zu erkennen.
Und worauf, meinen Sie, sollte man sich vor diesem Hintergrund bei der Suche nach Abwehrmöglichkeiten konzentrieren? Ist es der Prozess, die Struktur, Smartphones oder der Mensch selbst, der im Fokus stehen sollte?
Also ich finde, im Kern der Sache steht nach wie vor der Mensch. Die Technologien stehen noch immer im Dienste der Menschen. Die Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz halte ich für beachtlich, doch es wird noch lange dauern, bis Maschinen bessere Leistungen als Menschen erbringen können, wenn überhaupt. Maschinen machen manche Dinge bereits sehr gut und es ist auch wichtig zu verstehen, welche das sind, um diese Fähigkeiten zu nutzen. Doch letzten Endes können Maschinen die Menschen nicht ersetzen. Es ist also eine Frage der Ausbildung und der Aufklärung. Das sind die wichtigsten Aspekte.
Und im Hinblick auf das Thema der strategischen Kommunikation, der Kommunikation überhaupt: Halten Sie es für möglich, dass irgendwann in Zukunft Nachrichtendienste, Journalisten und Politiker eng miteinander zusammenarbeiten und Informationen austauschen werden?
Nun ja, in manchen Hinsichten tun sie das bereits, das war schon immer so. Es gibt viele Journalisten, die Kontakte zu Nachrichtendiensten haben und umgekehrt. Das ist ja kein Geheimnis. Außerdem sind Journalisten und Politiker voneinander abhängig. Sie können sich vielleicht nicht ausstehen, doch ohne einander können sie ihre Arbeit nicht tun. Diese symbiotische Beziehung besteht also wohl oder übel. Was ich allerdings nicht voraussehe, ist die Entstehung einer Art Dreiecksbeziehung, in der sich alle drei Interessengruppen aktiv und gleichzeitig miteinander austauschen. Das halte ich für unrealistisch. Ich glaube aber, dass den Nachrichtendiensten der westlichen Demokratien immer stärker klar wird, dass sie medienbewusster werden und sich intensiver mit den Medien austauschen müssen als bislang. Heutzutage können sie ihren Job nur machen, wenn die Medien eine realistische Vorstellung dessen haben, wozu Nachrichtendienste da sind, welche Befugnisse sie haben und sogar, wie gut sie ihren Dienst verrichten. Das ist allerdings noch weit entfernt von absoluter Offenheit und Transparenz, was ich für kein realistisches Ziel halte.
Das Interview führte Norbert Stäblein, die Übersetzung erfolgte durch das Bundessprachenamt.