Drei Militärgeistliche sind auf dem schwarzweißen Erinnerungsfoto zu sehen: Der evangelische Pfarrer Kawerau, der katholische Feldgeistliche Schürmann – und, in ihrer Mitte, der jüdische Feldrabbiner David Winter. Das Foto entstand vor mehr als 100 Jahren, während des Ersten Weltkriegs an der Ostfront in Russland. Heute hängt ein großformatiger Abzug des Fotos im Asanta Veranstaltungszentrum in Berlin – und zwar aus gutem Grund: Hier veranstaltet der Zentralrat der Juden in Deutschland die dreitägige Konferenz „Militärrabbiner in der Bundeswehr – zwischen Tradition und Herausforderung.“ Und hier kündigt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor angemessener Kulisse an, dass es künftig wieder Rabbiner in einer deutschen Armee geben werde.
Es geht um eine Rückkehr zur Normalität. Im Ersten Weltkrieg dienten 30 jüdische Seelsorger in der Armee des Deutschen Reiches. „Wir möchten wieder Militärrabbiner in unseren Reihen beheimatet wissen“, sagt die Ministerin. Die Geistlichen seien früher ein fester Bestandteil des soldatischen Alltags in den deutschen Streitkräften gewesen – und sie freue sich, dass es bald wieder so sein werde, dass ein neues Kapitel der gemeinsamen Geschichte aufgeschlagen werde. „Es wird Zeit für uns!“, ruft von der Leyen in den Saal. Die Anwesenden – Mitglieder der jüdischen Gemeinde, Bundestagsabgeordnete, Wissenschaftler und Offiziere der Bundeswehr – spenden Beifall.
Rund 300 Menschen jüdischen Glaubens tragen heute die Uniform der Bundeswehr. Bislang waren sie auf christliche Seelsorger angewiesen, wenn es um Beistand in Gewissensfragen ging. Doch die Rabbiner sollen mehr leisten, als Soldaten bei moralischen und ethischen Problemen zur Seite zu stehen. Im Rahmen des Lebenskundlichen Unterrichts könnten sie auch junge Soldaten für antisemitische Entwicklungen in der Gesellschaft sensibilisieren, sagt Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Sie könnten Vorurteile abbauen und Missständen entgegentreten.
„Juden sehen Deutschland als ihr Zuhause und wollen diese Gesellschaft mitgestalten. Wir wollen in diese Gesellschaft hineinwirken, so wie es das Judentum über Jahrhunderte in Deutschland getan hat“, sagt Schuster. Die Bundeswehr sei Teil der deutschen Gesellschaft, man wolle einen Beitrag in dieser Armee und für diese Armee leisten. „Neben jüdischen Soldaten, die in der Bundeswehr dienen, möchten wir mit Militärrabbinern die jüdische Perspektive und die jüdische Ethik einbringen.“
Der erste Militärgeistliche jüdischen Glaubens könnte seine Arbeit in der Bundeswehr zum Ende des Jahres aufnehmen. Zuvor muss noch ein entsprechender Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland geschlossen werden.