Franken, Niederbayern, Papua-Neuguinea und Mali sind nur einige geographische Fixpunkte im Leben von Militärpfarrer Thomas Hellfritsch. Von einem Seelsorger, der in seinem Inneren noch immer ein bisschen Soldat ist.
Als Pfarrer ist Thomas Hellfritsch wahrscheinlich fast einzigartig und erfüllt das Klischee vom klassischen Pfarrer erstmal nicht. Denn der gebürtige Franke besitzt einen Kettenführerschein und durfte einen Kampfpanzer Typ Leopard 1 fahren. Auch sonst ist das Leben des 51-Jährigen von Beginn an kunterbunt und deutet zunächst nicht darauf hin, dass er Theologe wird. Und schon gar nicht, dass er 30 Jahre später mit Soldaten in Mali Gottesdienste feiert und ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte hat – als evangelischer Militärpfarrer im fordernden Dienst der UN-Mission MINUSMAMultidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali.
Nach der Schule lernt Hellfritsch zunächst Landmaschinenschlosser. Trecker, Eggen, Pflüge, Mähdrescher oder Melkmaschinen, das ist seine Welt. Der Hang zum Großgerät ist mit dieser Ausbildung schon vorgeebnet. Da macht es Sinn, dass es ihn später bei der Bundeswehr zu großer schwerer Technik zieht, statt großen Reifen halt mit großen Ketten. „Ich hätte auch verweigern können“, sagt er. Doch ihm sei schon damals klar gewesen: Die Welt ist nicht nur gut.
15 Monate müssen Wehrpflichtige 1987 noch dienen. Hellfritsch‘ Heimatverband ist damals das Panzerbataillon 354 in Hammelburg, noch heute ein Standort der Bundeswehr und für die Infanterie ein sehr wesentlicher – mit dem dort ansässigen Ausbildungszentrum. Er spielt seinerzeit schon mit dem Gedanken, länger Soldat zu bleiben. Doch er entscheidet sich, sein Abitur nachzumachen. „Die Schlosserlehre war toll, aber ich konnte mir nicht vorstellen, mein Leben lang in diesem Beruf zu arbeiten“, sagt er. Denn schon damals war die Landwirtschaft ein von der Existenz bedrohter Industriezweig.
So studiert er also nach der Hochschulreife Theologie und wird Vikar in Flossenbürg. Dort, wo einst im Dritten Reich viele Menschen den Tod im Konzentrationslager fanden. Anschließend wird er für zehn Jahre Gemeindepfarrer in Gangkofen, Niederbayern.
Der Gemeindedienst erfüllt den Vater dreier erwachsener Kinder zwar, in die Ferne zieht es ihn trotzdem. Schon im Studium Anfang der 90er Jahre absolviert er ein Studienjahr am Martin-Luther-Seminar auf Papua-Neuguinea, dem flächenmäßig drittgrößten Inselstaat der Welt. Das Eiland lässt ihn danach nicht mehr los.
„Als meine Kinder dann erwachsen waren, bot sich die Möglichkeit, als Missionar nach Neuguinea zu gehen“, sagt er. Das Ehepaar Hellfritsch muss nicht lange überlegen. Schnell sind die Wurzeln in Deutschland vorübergehend gekappt. Rund 90 Prozent Christen leben auf der Insel. Während seine Frau auf Papua-Neuguinea in der kirchlichen Bildungsarbeit beschäftigt ist, baut er eine Süßkartoffelfarm auf. Vier Jahre bleiben sie in dem Land, das zwar nicht reich ist, aber auch nicht an Armut leidet. Das Klima ist für Mitteleuropäer gewöhnungsbedürftig, tropischer Regenwald eben. Und bis auf Kleinkriminalität ist die Sicherheitslage auch so, dass es sich friedlich auf der Insel leben lässt. Eine Vorbereitung auf seine spätere Tätigkeit bei der Bundeswehr und im Einsatz? „Keineswegs“, sagt Hellfritsch. Mali sei ganz anders, viel heißer, viel trockener und viel unsicherer.
Den Weg zurück zur Bundeswehr bereut der Bayer jedoch keine Sekunde, auch oder sogar trotz des Einsatzes. Zwar sei vieles hier in Afrika anders als erwartet. Doch ist die Arbeit mit den Soldaten im Kontingent erfüllend. Sonntags zum Gottesdienst erscheinen teilweise so viele, dass das ursprüngliche Kirchzelt nicht mehr ausreicht. Dann wird der Gottesdienst in das Besprechungszelt verlegt.
Ansonsten führt er viele Gespräche mit den Soldaten. Probleme untereinander, Sorgen zu Hause oder auch die gemeinsame Trauer, weil Angehörige in der Heimat unerwartet verstorben sind. „Das ist letztlich nicht anders als in einer Gemeinde in Deutschland.“ Mit seinem Pfarrhelfer Alex plant er viele Begegnungen, darunter den Kamelspinnen-Treff, das Treffen der Spezialpioniere, die das Lager nicht nur aufbauen, sondern auch instand halten. „Die Jungs malochen den ganzen Tag und teilweise die Nacht durch“, ergänzt der Pfarrer. Da sei es gut, dass sie an einem Tag in der Woche auch mal innehalten könnten, bei einer Cola und bei einem Stück Kuchen.
Das schönste Erlebnis in den vergangenen Monaten im Camp? Da muss Hellfritsch nicht lange überlegen. „Das 500-jährige Reformationsfest Ende Oktober, mit Gottesdienst und dem Luther-Film“, sagt er. Der hohe Zuspruch habe ihn sehr gefreut, gerade, weil ein großer Teil der Soldaten auch konfessionslos sei. Aber im Einsatz spielt es eh keine Rolle, welcher Glaubensrichtung die Soldaten angehörten: „Es kommen auch Muslime in den Gottesdienst.“
Nach den vier Monaten Einsatz freut er sich vor allem auf seine Familie und den Luftwaffenstandort Roth, seine militärische Heimat in Deutschland. „Auch auf Schwarzbrot, das gibt es hier nicht“, bekräftigt er. Mit seiner Frau wird er dann erstmal einen schönen Spaziergang durch sein Dorf machen, in der Nähe von Roth – ihr von den Erlebnissen mit den Soldaten in Mali erzählen. Und vor allem geerdet wird Hellfritsch sein. Denn ein Bett, ein Brot, ein Wasser und ein bisschen Schatten zu schätzen, das lernt man als Europäer in dem armen Mali ganz schnell.