In der Wüste Malis fand in diesen Tagen eine besondere Übung statt. Ein Spähtrupp ist auf dem Weg durch die staubige Einöde Malis. Plötzlich ein lauter Knall. Zur Übung: Ein Fahrzeug ist auf eine versteckte Sprengladung gefahren.
Leutnant Bernd K. beobachtet über die Aufklärungskamera seines Spähfahrzeuges vom Typ Fennek, die Umgebung. Die Temperatur steigt auf über 50° Celsius und der Schweiß läuft ihm ins Auge. Er kneift die Augen zu. Sein Gesicht brennt. Auf dem Monitor flimmert ein Geländewagen auf. Es ist ein weiteres Fahrzeug der deutschen Patrouille. Es steht zwischen mehreren vertrockneten Büschen und Bäumen, einige Hundert Meter entfernt. In der Umgebung und am Fahrzeug vom Typ Wolf ist keine Bewegung zu erkennen. Nur das Schattenspiel der dürren Äste und Zweige unter der prallen afrikanischen Sonne.
Leutnant K. war mit seinem Spähtrupp und einem beweglichen Arzttrupp auf dem Weg zu seinem Aufklärungsziel. Sie waren am frühen Morgen vom deutschen Feldlager Camp Castor gestartet und hatten bereits mehrere Kilometer durch die Wüste zurücklegen können. Er wollte gerade seinen Standort an den Gefechtsstand melden und dann, plötzlich dieser Knall.
Das Funkgerät rauscht. „IEDImprovised Explosive Device, IEDImprovised Explosive Device ,IEDImprovised Explosive Device !“
Jetzt bleibt ihm keine Zeit für das, was hinter ihm liegt. Er ist mit seinen Gedanken im Hier und Jetzt. Und er muss handeln.
Heute ist es nur eine Übung, doch die Gefahr durch improvisierte Sprengfallen, den sogenannten IEDImprovised Explosive Device´s, ist hier allgegenwärtig. „Von den IEDImprovised Explosive Device´s geht hier für uns die größte Gefahr aus.“ erklärt der 27-jährige Offizier. „Darum ist es so wichtig, die Abläufe und Verfahren nach so einem Angriff zu üben und zu optimieren.“ Er greift an seinen Funkkopfhörer und drückt die Sprechtaste, um eine Verbindung zum angesprengten Fahrzeug herzustellen. Es klickt nur und dann folgt ein kurzes Rauschen. Dann plötzlich eine Stimme. Die Besatzung antwortet. K. gibt alle Informationen an die Soldaten der Patrouille weiter. Der als Patrouillenführer eingesetzte teilt jetzt sein Personal für die Rettung ein. Jeder der Männer weiß, was nun zu tun ist. Alle Abläufe wurden oft in der Einsatzvorbereitung geübt und trainiert.
Wenige Minuten später sind die beiden „Übungsverwundeten“ erstversorgt und aus der Gefahrenzone gebracht. Oberstabsgefreiter Felix K. war der erste bei den Verwundeten. „In der ersten Phase versorgen wir nur kritische und stark blutende Wunden. Die Blutung stoppen wir durch Abbinden der verletzten Gliedmaßen nah am Körper, oder durch einen Druckverband. Damit verhindern wir das der Verwundete verblutet.“
Oberstabsgefreiter K. hat Erfahrung mit der Erstversorgung. Er selbst hat die Ausbildung zum Combat First Responder (Ersthelfer im Kampfeinsatz) bekommen. Diese Ausbildung ist für Soldaten die bei spezialisierten Einheiten oder in der Fallschirmjägertruppe eingesetzt sind. Während seiner Ausbildung zum Combat First Responder lernt Oberstabsgefreiter K. lebensrettende Sofortmaßnahmen unter Gefechtsbedingungen anzuwenden und darf im Notfall einige spezielle Medikamente zur Schmerzlinderung oder zur Verbesserung der Gerinnung sowie Antibiotika verabreichen.
Des Weiteren hat er gelernt, die oberen Atemwege zu sichern und einen intravenösen Zugang zu legen. Oberstabsgefreiter K. ist Angehöriger einer der beiden selbstständigen Luftlandeaufklärungskompanien aus dem niedersächsischen Seedorf.
Die Spähtrupps seiner Kompanie arbeiten häufig in sehr kleinen Gruppen und sind dabei einige Kilometer von der eigenen Einheit entfernt. Eine medizinische Versorgung wird dann durch den Combat First Responder in den ersten Minuten nach einer Verwundung sichergestellt.
Oberstabsgefreiter K. hat mit seinen Kameraden mittlerweile die beiden Übungsverwundeten zum Trupp des Sanitätsdienstes gebracht. Der Bewegliche Arzttrupp leitet die Rettung aus dem zerstörten Kraftfahrzeug an und übernimmt die verwundeten Kameraden. Ein Arzttrupp wird von einem Sanitätsoffizier geführt, der von einem Notfallsanitäter unterstützt wird und auch der Kraftfahrer besitzt eine weiterführende sanitätsdienstliche Ausbildung. Die Zusammenarbeit mit den Aufklärungskräften funktioniert absolut routiniert, denn der Arzttrupp kommt wie die Aufklärer aus der Fallschirmjägerkaserne in Seedorf. Sie sind Angehörige der Luftlandesanitätskompanie und werden besonders auf die Zusammenarbeit mit den spezialisierten Kräften vorbereitet und trainiert.
Leutnant K. koordiniert weiterhin seine Soldaten. „Für mich ist es jetzt wichtig, alle Informationen zu sammeln und alle Details so genau wie möglich in das Feldlager an das Joint Operation Center zu melden. Dort laufen alle Informationen zusammen. Außerdem wird von dort auch der Einsatz der Hubschrauber koordiniert. Zusätzlich muss der Bereich am Boden abgesichert und die Landezone für den Hubschrauber erkundet werden. Nur dann können die Verwundeten sicher versorgt werden“, erklärt der Spähtruppführer aus Seedorf.
Die intravenösen Zugänge an den Patienten werden bei dieser speziellen Übung, wirklich gelegt. Das ist einer der besonderen Schwerpunkte der Ausbildung und soll durch das Sanitätspersonal unter diesen schweren Bedingungen trainiert werden. Mit dem Übungsverwundeten wurde zuvor alles besprochen und am Ende der Übung hat er mehrere Zugänge, eine Atemwegshilfe, Verbände und Pflaster am Körper. Medikamente werden bei der Übung nicht gegeben. Hier werden lediglich nur der Wirkstoff und die Dosierung angegeben und vom Leitungsteam kontrolliert.
Dr. S. hat bei dem einen Verletzten einen Spannungspneumothorax diagnostiziert. Dabei dringt durch eine Verletzung des Brustkorbs oder der Lunge, Luft zwischen Lunge und Brustwand, ohne entweichen zu können. Nach und nach werden Herz und Lunge abgedrückt. Ein lebensbedrohlicher Zustand, den der erfahrende Sanitätsoffizier nun schnellstmöglich behandeln muss. Mit einer langen Nadel sticht er durch die Brustwand, um so den Druck zu entlasten. Trotz Übung und simulierten Einstich ist dies bei der körperlichen Belastung und mehr als 50° Celsius in der Sonne eine schweißtreibende Präzisionsarbeit.
Im Funkgerät rauscht und knackt es. Die Stimme von K. ist zu hören. „Lageinformation: Die Hubschrauber sind in wenigen Minuten da. Fertig machen, um die Landezone auf meinen Befehl mit Rauch zu markieren.“ Wenig später tauchen zwei Punkte am Himmel auf, die schnell größer werden. Ein Rattern erfüllt die Luft und der sandige Boden erzittert, als der erste Hubschrauber tief über die Soldaten am Boden rast. Die Crew hat schnell und gut gearbeitet. Das Leben von Kameraden ist in Gefahr. Da zählt jede Sekunde. K. nimmt Verbindung mit den Piloten auf und gibt alle wichtigen Informationen weiter. Dann gibt er den Befehl, die Rauchgranate zu werfen. Grüner Rauch steigt in den Himmel auf. Auch der zweite Hubschrauber trifft ein. Er dreht eine Runde und erkennt die deutschen Soldaten sofort.
Dröhnend setzt der belgische UN-Hubschrauber auf den Boden auf. Eine riesige Staubwolke steigt auf, doch Leutnant K. hat die Landezone richtig erkunden lassen und so drückt der Wind die Staubwolke vom beweglichen Arzttrupp weg. Die große UN-Maschine konnte gegen den Wind einschweben.
Die belgischen Soldaten springen aus dem Hubschrauber und werden sofort durch die deutschen Kräfte aufgenommen. Dr. S. übergibt seine Patienten mit einem Gespräch von Arzt zu Ärztin an seine belgische Kameradin. Dann geht alles sehr schnell. Die beiden Verwundeten werden zum Helikopter getragen und sicher an Bord gebracht. K. koordiniert die Sicherung am Boden, während der zweite Hubschrauber das Gelände aus der Luft überwacht.
Unter ohrenbetäubenden Lärm steigt der Rettungs-NH-90 in die Luft. Der harte und heiße Boden erzittert unter den mächtigen Rotorblättern. Eine Wolke aus Staub verdunkelt den Himmel. Die belgische Maschine durchstößt die Wolke und dreht eine weite Kurve über den Fahrzeugen. Dann entfernen sie sich rasch am Horizont.
K. ist erleichtert. Er weiß, dass die Übung zu Ende ist. Doch es stehen immer noch mehr als 35 Kilometer zwischen ihnen und dem Feldlager. Auf ihrem Rückweg müssen sie jederzeit mit realen Sprengfallen oder Beschuss durch Aufständische rechnen. Professionell und sicher führt Leutnant Bernd K. seine Soldaten nach mehr als einer Stunde Fahrt schließlich in das deutsche Feldlager Camp Castor.
Die Übungen werden trotz der sowieso schon vorhanden Gefahren im Einsatzland durchgeführt. Doch K. und seine Männer wissen, dass man nur so die notwenigen Verfahren üben kann und handlungssicher wird. Im Ernstfall kann das über wichtige Minuten entscheiden. Minuten, die über das Leben von Kameraden bestimmen.