Vor der Klasse hat sich eine kleine Horde Ziegen niedergelassen. Fast sieht es so aus, als beobachteten die Tiere die malischen Soldaten, die da unter dem Wellblechdach-Verschlag auf Bänken sitzen und ihrem albanischen Ausbilder an der Tafel zuhören: Teil eins des zweiwöchigen Kurses „Basic Military Search“, den die europäische Trainingsmission EUTMEuropean Training Mission Mali in Koulikoro anbietet, hier wird der Status Quo festgestellt. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, schmunzelt, als er bei seinem Antrittsbesuch in Mali die Ziegen auf dem Übungsplatz sieht. „Meine Grundausbildung sah damals etwas anders aus.“ Doch er weiß, dass seine Soldatinnen und Soldaten nicht hier sind, um hier nach ihren Standards auszubilden - sondern um den Bedarf der einheimischen Streitkräfte zu treffen.
„Alles, was wir hier machen, ist eng mit dem malischen Verteidigungsministerium und dem Generalstab abgestimmt“, sagt David B., als er dem Generalinspekteur die laufenden Kurse im Koulikoro Training Center (KTCKoulikoro Training Center) vorstellt. Der Major ist Chef der deutschen Trainier im KTCKoulikoro Training Center und seit Anfang Juni im Einsatz, für vier Monate. Er würde gern länger bleiben, weil er seine Arbeit für sinnvoll hält. „In unseren Morgenlagen höre ich täglich von den hohen Verlusten der malischen Streitkräfte“, sagt er. Mit der Ausbildung könnten sie helfen, den hohen Regenerationsbedarf zu decken.
Insgesamt sind derzeit rund 140 deutsche Soldatinnen und Soldaten bei EUTMEuropean Training Mission Mali engagiert, rund 120 davon in Koulikoro. Neben Training geht es aber auch um Beratung des malischen Verteidigungsministeriums und der Führungsstäbe bei der Reform von Strukturen sowie bei der Einführung eines Personalmanagementsystems.
Im nächsten Kurs, den Major B. seinem obersten Vorgesetzten auf dem weitläufigen Übungsplatz vorstellt, steht Waffenhandhabung auf dem Trainingsplan. Ein albanischer Feldwebel leitet die malischen Soldaten an, wie sie ihr Gewehr halten, es auseinandernehmen und am besten damit zielen. Ein einheimischer Dolmetscher übersetzt seine Sätze in die Landessprache. „Die beiden Worte, die ich hier zuerst gelernt habe, waren flexibility und patience“, sagt Major B. - Flexibilität und Geduld. „Man muss hier viel improvisieren - aber dann funktioniert’s auch.“
Für die deutschen Ausbilder ist es schon eine Herausforderung, sich auf die Rahmenbedingungen und auf die Mentalität der malischen Streitkräfte einzustellen. Umso mehr wissen sie es zu schätzen, dass die gerade eingerückte Kompanie - rund 120 Mann stark - mit moderner Ausrüstung und einheitlich ausgestattet im KTCKoulikoro Training Center angekommen ist. „Die Soldaten sind hoch motiviert“, sagt Major B. Nach den zwölf Wochen Training würden sie im Norden Malis eingesetzt. Sie wüssten also genau, wofür sie die Ausbildung hier brauchten. Und sie vertrauten nicht mehr so sehr darauf, dass ein Talisman sie im Gefecht schützen würde, ergänzt der deutsche Verteidigungsattaché in Bamako, Oberstleutnant Oliver Wunder.
Station drei seines Besuchs in Koulikoro führt General Zorn nach „ghost city“. Das ist eine Art malische „Schnöggersburg“. Rohbauten deuten darauf hin, dass hier mal eine Wohnsiedlung geplant war; warum hier nach wie vor niemand lebt, darüber gibt es die buntesten Gerüchte. Den malischen Streitkräften bietet sie jedenfalls gute Gelegenheiten, die Sicherung eines Flughafens oder einer Luftwaffen-Kaserne zu trainieren. Improvisationskunst ist auch hier nötig: Gewehrschüsse simulieren die Trainees mit „Boom-boom“-Rufen.
Seit Beginn der EUEuropäische Union-Mission Anfang 2013, die ab Mitte November von einem deutschen Brigadegeneral geführt werden wird, sind rund 11.600 malische Soldaten ausgebildet worden. Noch wird in den Kursen viel Basiswissen vermittelt. Weitere Schwerpunkte sind Erste Hilfe, Logistik, Sprengfallen-Entschärfung oder neuerdings das Thema Menschenrechte. „Der Fokus verschiebt sich jetzt zunehmend auf die Ausbildung von Trainern und Führungspersonal“, sagt General Zorn. Außerdem beinhalte das gerade verlängerte EUEuropäische Union-Mandat die Unterstützung der „G5 Sahel Force Conjointe“; diese grenzübergreifende Eingreiftruppe besteht aus rund 5.000 Soldaten und Polizisten aus Mali, Niger, Burkina Faso, Mauretanien und dem Tschad.
Der vernetzte Ansatz, den die Bundesregierung in Mali verfolgt, drückt sich aber auch in den sogenannten Ertüchtigungsprojekten aus. Diese Vorhaben finanziert das Bundesverteidigungsministerium gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt. In Koulikoro gehören dazu unter anderen der Bau von Munitionslagern und einer Truppenküche.
Nach seinem Besuch im Hauptquartier von EUTMEuropean Training Mission Mali und in Koulikoro stellt der Generalinspekteur vor allem die Geschlossenheit der am Training beteiligten europäischen Streitkräfte heraus. „Ausbilder aus 22 Nationen haben hier ein einheitliches Verständnis von Ausbildung“, sagt er, „das klappt hervorragend - obwohl man keine Chance hatte, das vorher gemeinsam zu üben“. Für Zorn ist dies ein „vorzügliches Beispiel“ multinationaler Kooperation in der Sahel-Zone. „Es zeigt auch, dass wir die Zusammenarbeit zwischen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partnern und europäischen Partnern in den letzten Jahren enorm vorangebracht haben.“ Das gelte vor allem für den Einsatz.