Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich am 4. Mai mit rund 100 hochrangigen Führungskräften der Bundeswehr im BMVgBundesministerium der Verteidigung getroffen. Im Zuge der Aufklärung des rechtsextremen Verdachtsfalls um den Offizier A. sowie der Vorfälle in Pfullendorf und Sondershausen erörterte sie mit Generälen und Admirälen Hintergründe und Konsequenzen.
Ursula von der Leyen hat „Zuspruch und Anerkennung“ aus dem Kreis der Führungsspitze erhalten. Es war eine „freimütige und offene“ Aussprache, so Teilnehmer. Die Debatte sei auf Augenhöhe geführt worden und es sei ein gleicher Kenntnisstand über die jüngsten Vorfälle in Pfullendorf, Sondershausen und Illkirch hergestellt worden. Im aktuellen Fall von Illkirch steht der Oberleutnant A. im Verdacht, einen Terroranschlag geplant zu haben. Der Offizier hatte sich als Flüchtling registrieren lassen und plante möglicherweise eine rechtsextremistische Straftat. Er sitzt derzeit in Untersuchungshaft – die Bundesanwaltschaft führt die Ermittlungen.
Weiter ordnete die Ministerin eine neue Arbeitsgruppe im BMVgBundesministerium der Verteidigung an, die die Wehrdisziplinarordnung der Bundeswehr durchleuchten solle. Das mit dem Ziel, „die Verantwortungsebenen zu stärken und Handlungssicherheit“ zu schaffen. Dabei werde es auch darum gehen, ein „Mehraugenprinzip“ konsequent zu etablieren. Es dürfe nichts unter den Tisch gekehrt werden.
Generalinspekteur Volker Wieker hatte am Donnerstag in der ARD Zweifel an den „Selbstreinigungskräften“ in der Bundeswehr geäußert. Er sei in Sorge, dass diese „nicht so zur Wirkung gelangen, wie wir uns das alle wünschen“, sagte er. Daher müsse nun aufgeklärt werden, ob es bei der Bundeswehr einen „übertrieben Korpsgeist“ gebe. Als Konsequenz daraus soll der Kriminologe Christian Pfeiffer die bekannten Fälle von Fehlverhalten untersuchen. Dafür will er Tausende Soldaten repräsentativ befragen.
Im Zuge der Aufklärung waren die Ministerin und der Generalinspekteur am vergangenen Mittwoch zum Standort der Deutsch-Französischen Brigade in Illkirch bei Straßburg gereist, wo der unter Verdacht stehende Offizier stationiert gewesen war. Von der Leyen hatte in Illkirch betont, es müsse nun aufgeklärt werden, wo es Bruchstellen oder Lücken bei der Meldung oder Weitergabe von Informationen in der Bundeswehr über die Vorfälle um den Offizier gegeben habe. Dass der Soldat A. eine Masterarbeit abgeben konnte, die klar rassistisch war, zeige, dass hier das Maß nicht stimme. „Wir sind am Anfang eines langen Prozesses“, so von der Leyen.
Es war in den vergangenen Tagen bekannt geworden, dass der festgenommene Offizier A. bereits 2014 in seiner Masterarbeit klar rechtsextreme Tendenzen erkennen gelassen hatte. Ein Gutachten hatte die äußerst problematischen Inhalte bestätigt. Bis auf eine mündliche Ermahnung hatte dies zum damaligen Zeitpunkt jedoch keine gravierenden Konsequenzen für Franco A. in der Bundeswehr gehabt. In Illkirch hatten sich die Ministerin und der Generalinspekteur ein Bild von Räumen der Deutsch-Französischen Brigade gemacht, in denen sich A. aufgehalten hatte. Dort waren in einem Gemeinschaftsraum Wehrmachtsdevotionalien vorgefunden worden.
Jeder Verdachtsfall einer zuviel Die Ministerin kritisierte den Umgang mit Wehrmachtsdevotionalien scharf. Die Wehrmacht sei in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr. Einzige Ausnahme seien einige herausragende Einzeltaten im Widerstand. Aber sonst habe die Wehrmacht nichts mit der Bundeswehr gemein. Nach Angaben des BMVgBundesministerium der Verteidigung sind zwischen 2012 und 2016 insgesamt 18 Bundeswehrangehörige vorzeitig wegen Rechtsradikalismus entlassen worden. Der MADMilitärischer Abschirmdienst bearbeite derzeit 280 Verdachtsfälle. Jeder Fall sei einer zu viel und jedem Hinweis müsse nachgegangen werden, so der Stellvertretende Sprecher des BMVgBundesministerium der Verteidigung, Oberst i.G.im Generalstabsdienst Boris Nannt, vor der Regierungspressekonferenz. Extremismus habe in der Bundeswehr keinen Platz.