In der milden Nachmittagssonne von Mali schminkt die belgische Soldatin Hanna zwei ihrer Kameraden für die bevorstehende Sanitätsübung. Mit Farbe und Kunstblut entstehen schnell eine täuschend echte Schusswunde bei einem, sowie eine Beinverletzung bei einem weiteren Kameraden. Alles ist bereit für das nun anstehende Szenario.
Die Übung wurde von belgischen Sanitätern in enger Zusammenarbeit mit dem deutschen Personal der Sanitätseinsatzkompanie im Koulikoro Training Center, kurz KTCKoulikoro Training Center, entwickelt. Ziel ist das Üben der gesamten Rettungskette im Camp. Geübt wird vom Abwehren eines Angriffs bis zur operativen Behandlung eines Patienten.
Ein kurzer Funkspruch an die Einsatzzentrale im Camp und die Übung beginnt. Die Soldaten der belgischen Lagerwache, Force Protection genannt, bekommen die Lageinformation, dass das Camp angegriffen wurde. Kurz darauf stehen alle Soldaten mit ihrer gesamten Ausrüstung bereit und rücken aus. Innerhalb kürzester Zeit erreichen sie den fiktiven Gegner und können diesen in die Flucht schlagen. Dabei werden auch die zwei „verletzten“ Soldaten aufgefunden.
Jetzt läuft die Uhr für die Rettungskräfte, welche die Verwundeten schnell versorgen müssen. Während der gesamten Übung beobachten zwei deutsche Oberstabsärzte jeden Handgriff der Helfer, um nach der Übung eine genaue Auswertung machen zu können und eventuelle Verbesserungen anzusprechen.
Zunächst übernimmt der Medic der Force Protection die erste Betreuung der Verwundeten. Der Medic ist ein Infanterist, welcher eine zusätzliche Sanitätsausbildung erhalten hat und dementsprechend ausgerüstet ist. Er verschafft sich zunächst ein Bild über die Verletzungen, indem er die ersten Untersuchungen vor Ort vornimmt. Seine Kameraden sichern ihn dabei. Schnell erkennt er die Schussverletzung des ersten Soldaten und stoppt die „Blutung“ mittels Tourniquet. Hierbei handelt es sich um eine Art Klettverband, mit dem starke Blutungen an Armen und Beinen durch Abbindung gestoppt werden können.
Bei dem zweiten Verwundeten ist die Diagnose nicht so einfach. Der Medic erhält von dem ersten Verletzten nur die Information, dass der Soldat aus mehreren Metern Höhe zu Boden gestürzt sei. Der Verwundete selbst ist nicht mehr ansprechbar. Der Medic benötigt Hilfe von Sanitätsfachpersonal und fordert diese über Funk bei der Einsatzzentrale an.
Über Funk werden alle wichtigen Daten wie Anzahl der Patienten, Art und Schwere der Verletzungen, sowie Gefährdungslage in einer festgelegten Reihenfolge übermittelt.
Die Einsatzzentrale gibt diese Meldung an einen Rettungstrupp und gleichzeitig an die Role 2 weiter, damit diese die Aufnahme des Patienten vorbereiten können. Keine fünf Minuten später sind die Sanitäter mit einem gepanzerten Dingo 2 auf dem Weg zu dem Medic.
Am Ort des Geschehens eingetroffen übernehmen die belgischen Sanitätssoldaten, nach kurzer Einweisung durch den Medic, die weitere Behandlung der Verwundeten. Mit geübten Handgriffen wird der Verletzte zum Transport vorbereitet und parallel weiter untersucht. Da eine Rückenverletzung des Soldaten nicht ausgeschlossen werden kann, wird ihm ein Stifneck angelegt. Dies ist ein Halsverband, welcher die Halswirbelsäule stabilisiert. Anschließend wird der Verwundete auf eine Tragehilfe gelegt und mit Bändern auf dieser gesichert. Nun werden beide Verletzten in den Dingo 2 geladen und es geht auf den Weg zu Role 2.
Die Role 2 im KTCKoulikoro Training Center ist eine medizinische Einrichtung mit der Möglichkeit der ersten chirurgischen und intensivmedizinischen Versorgung. Zu den einzelnen Abteilungen gehören Ärzte verschiedener Teilgebiete, eine Notaufnahme, ein Operationssaal, eine Pflegestation, eine Intensivstation, ein Labor, eine Röntgenabteilung und eine Apotheke. Damit ist die Role 2 der Dreh- und Angelpunkt der medizinischen Versorgung der EUTM Mali für alle teilnehmenden Nationen.
Bereits von unterwegs gibt der Rettungstrupp erste Informationen an die Role 2 weiter, welche diesen schon erwartet. Zwei mobile Tragen und das Trageteam stehen bereit, um die Patienten zu übernehmen. Der Dingo 2 fährt vor. Die Patienten werden entladen und in die Notaufnahme gebracht. Die bis dahin behandelnden Sanitäter begleitet ihre Patienten bis hier hin und übergeben diese an die behandelnden Ärzte. Wichtige Daten der ersten Untersuchungen, Vitalwerte und bereits verabreichte Medikamente werden an das Team weitergegeben.
Nun ist das Team der Role 2 für die Patienten verantwortlich und ein sehr strukturierter Ablauf beginnt. Die behandelnden Ärzte geben kurze, klare Anweisung ohne jegliche Höflichkeitsfloskeln. Jeder weiß, was er zu tun hat und hilft, wenn nötig, den anderen Teammitgliedern. Parallel werden Messgeräte angeschlossen, Zugänge gelegt, Ultraschalluntersuchungen gemacht und Laborwerte ermittelt. Die Ärzte entscheiden sich beim gestürzten Patienten zum Röntgen, um eventuelle Brüche zu erkennen. Dazu wird der Patient in den Röntgenraum gefahren. Nach Auswertung der Röntgenbilder beraten sich die behandelnden Ärzte untereinander, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Nach dem Entschluss zu einer notwendigen Operation und dem Verbringen in den Operationssaal wird die Übung beendet.
Nach einer kurzen Pause, in der alle Beteiligten wieder zur Ruhe kommen können, wird die Übung ausgewertet. Alle Schritte werden gemeinsam besprochen und bewertet, vom ersten Auffinden der Verletzten bis zum Weg in den Operationssaal. Alle Beteiligten sind sich sicher, dass diese Übung gezeigt hat, wie internationale Standards helfen, eine schnellstmögliche Patientenversorgung zu gewährleisten.
„Unsere Arbeitsabläufe stimmen. Jetzt arbeiten wir an Kleinigkeiten, um noch besser zu werden“, fasste ein belgischer Sanitäter zusammen. Auch die begleitenden deutschen Ärzte zogen ein durchweg positives Resümee. „Die Verwundetenversorgung klappte ohne Sprachbarrieren. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass den Soldaten im Gelände im Fall des Falles schon von Beginn an professionelle Hilfe zur Seite steht“, sagte Oberstabsarzt A.