Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat in einem Interview der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) die aktuellen Herausforderungen der Bundeswehr deutlich gemacht. „Heute geht es wieder um beides: Auslandseinsätze und Landes- und Bündnisverteidigung“, sagt sie. Das Interview der NZZ wird in hier leicht gekürzter Fassung veröffentlicht.
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NZZ: Frau Kramp-Karrenbauer, vielleicht kennen Sie den alten Witz über das deutsche Militär: Die Bundeswehr ist dazu da, den Feind so lange aufzuhalten, bis die richtigen Soldaten kommen.
Annegret Kramp-Karrenbauer: Der „Witz“ wird Auftrag und Fähigkeiten der Bundeswehr nicht gerecht. Unsere Soldatinnen und Soldaten sind gut ausgebildet, ihre Einsatzbereitschaft ist hoch. Sie sind in weiten Teilen auch gut ausgestattet. Zur Wahrheit gehört, dass wir bei der materiellen Einsatzbereitschaft zwar Fortschritte machen, aber immer noch nicht da sind, wo wir hinwollen. Deshalb arbeiten wir daran weiter.
Letztlich geht es um die Frage, ob sich nicht nur Deutschland, sondern Europa ohne die USA verteidigen kann. Sie haben in dieser Frage einen Dissens mit dem französischen Präsidenten. Emmanuel Macron plädiert für strategische Unabhängigkeit, und Sie sagen, Europa werde noch lange auf amerikanischen Schutz angewiesen sein.
Zwischen Deutschland und Frankreich gab und gibt es so etwas wie eine „Harmonie der Widersprüche“. Wir haben in vielen Bereichen unterschiedliche Haltungen und Traditionen, insbesondere beim Militär. Trotzdem gibt es eine deutsch-französische Harmonie, die in Europa immer zu Bewegung und Impulsen führt. In der gegenwärtigen Debatte sind wir uns einig, dass Europa mehr eigene Fähigkeiten entwickeln muss. Der entscheidende Punkt ist, dass wir als Europäer endlich auch bei Sicherheit und Verteidigung konkret gemeinsam handeln müssen. Präsident Macron und ich sind uns nach meiner Wahrnehmung einig, dass wir nicht immer wieder nur neue Strategiepapiere und theoretische Debatten brauchen, sondern echtes gemeinsames Handeln und vor allem die konsequente Umsetzung dessen, was wir in Europa bereits beschlossen haben. Ein Unterschied liegt im Fernziel: Dienen die Fähigkeiten Europas dazu, als Partner auf Augenhöhe die Amerikaner in der Nato zu binden? Oder dienen sie dazu, sich von der Nato und Amerika zu lösen? Dieser Unterschied ist auch nicht wirklich neu, denken Sie an de Gaulle. Das heisst aber, dass wir bei einem Hundert-Meter-Lauf nur die letzten zwei Meter unterschiedlich sehen. Das sollte uns nicht davon abhalten, die vorherigen 98 Meter zusammen in Angriff zu nehmen.
Woher rührt Ihre Überzeugung, es gehe auf den letzten Metern nicht ohne Amerika?
Es ist in unserem Interesse, die wichtigen Schritte mit Amerika zu gehen. Wir haben in all den Jahrzehnten davon profitiert, dass wir in einer starken Nato eingebunden waren und damit in einem starken transatlantischen Verhältnis. Wenn Amerika jetzt auch andere Regionen in den Blick nimmt, dann müssen wir deutlich machen, dass es weiterhin starke gemeinsame Interessen mit Europa gibt: in der Verteidigungspolitik und auch in unserem Verständnis von fairem Handel. Wenn ich mir anschaue, welche Freihandelszone sich gerade im Indopazifik aufbaut, dann wünsche ich mir, dass wir so etwas zwischen Amerika und Europa auch hätten. Nicht unbedingt TTIPTransatlantic Trade and Investment Partnership (die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, auf Englisch abgekürzt TTIPTransatlantic Trade and Investment Partnership, Anm. d. Red.), aber ein Handelsabkommen, das unsere Rolle in der Welt stärkt und unseren Wohlstand langfristig fördert.
Braucht Europa die Vereinigten Staaten, um Russland im Zaum zu halten?
Wir beobachten in Russland eine ständige Modernisierung der Streitkräfte. Man kann dazu auch Aufrüstung sagen. Russland kann zum Beispiel jetzt eine Hyperschallrakete auf eine Distanz von 450 Kilometern sehr genau treffen lassen. Das ist eine Herausforderung für die Nato und für Europa. Deshalb sollten wir im transatlantischen Bündnis Seite an Seite bleiben.
Wie viel Geld müsste Europa in die Hand nehmen, um eine eigenständige, also militärische Großmacht zu werden?
Wenn wir versuchen würden, das zu ersetzen, was Amerika einbringt, dann lägen wir schnell bei einem dreistelligen Milliardenbetrag. Und der sagt noch nichts darüber aus, was wir technologisch für die Zukunft entwickeln müssten. Da geht es um Drohnen, weltraumgestützte Systeme und mehr. Ich glaube, dass wir mit der Fähigkeitsplanung der Nato bis 2031 schon heute zusätzlich gefordert sind. Deshalb kann man auch nicht, wie mancher in der SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands, über europäische Souveränität reden und dann verkünden, man wolle nicht mehr am Zwei-Prozent-Ziel festhalten (demgemäß jeder Nato-Mitgliedsstaat jährlich mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts ins Militär investieren soll, Anm. d. Red.). Man müsste logischerweise sogar noch deutlich mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts investieren – auch deswegen geht es gemeinsam mit Amerika besser.
Apropos Drohnen: Eines Ihrer zentralen rüstungspolitischen Vorhaben sind bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr. In dieser Woche hat die SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands als Koalitionspartner das Vorhaben ausgebremst. Die Debatte darüber sei nicht ausreichend gewesen, meint der Parteichef Norbert Walter-Borjans. Was sagen Sie dazu?
Alle, die etwas vom Thema verstehen, haben sich verwundert die Augen gerieben. Seit mittlerweile acht Jahren wird in Deutschland breit über die Bewaffnung von Drohnen zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten debattiert. Alle Argumente sind ausgetauscht. Wir haben im Frühjahr eine sehr umfassende öffentliche Debatte zu den politischen, ethischen und rechtlichen Aspekten der Drohnenbewaffnung geführt und einen ausführlichen Bericht sowie spezielle Einsatzgrundsätze dem Bundestag vorgelegt. Der Koalitionsvertrag ist damit erfüllt, übrigens auch nach Aussage der Verteidigungsexperten der SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands. Auch der Verteidigungsausschuss des Bundestages hat noch einmal zusätzlich Experten angehört. In einer Sitzung des Ausschusses Anfang Oktober haben mich die Vertreter von Union und SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands dazu aufgefordert, zügig unterschriftsreife Verträge zu verhandeln und dem Parlament eine Beschaffungsvorlage zur Entscheidung vorzulegen. Die notwendigen finanziellen Mittel stehen in unserem Haushalt zur Verfügung. Die Soldatinnen und Soldaten erwarten jetzt Klarheit darüber, ob die Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag dazu bereit ist, Drohnen zu ihrem Schutz bereitzustellen.
Wenn Europa im Konzert der Grossmächte mitspielen will, reichen die derzeitigen Verteidigungsausgaben nicht aus. Deutschland investiert als stärkste Volkswirtschaft des Kontinents kommendes Jahr rund 47 Milliarden Euro in die Verteidigung. Die USA geben etwa zwölfmal so viel aus.
Es geht nicht um Grossmachtstatus für Europa. Es geht darum, dass wir nicht erpressbar sind, wenn wir genügend eigene Fähigkeiten haben. Wir teilen gemeinsame Werte und Interessen mit Amerika, daher sollten wir den Herausforderungen gemeinsam begegnen.
An welche Herausforderungen denken Sie?
Es geht vor allem um die systemische Rivalität mit China. Für uns gibt es dabei keine Äquidistanz. Wir sind und bleiben Verbündete der Vereinigten Staaten. Deutschland ist europäisch integriert und ganz klar Teil des Westens.
Welches Land ist die grössere Bedrohung des Westens, China oder Russland?
Russland ist erkennbar eine Herausforderung. Mit China müssen wir langfristig umgehen. China steht historisch für strategischen Weitblick und strategische Geduld. Chinas Armee ist auf die Partei und den Parteiführer eingeschworen, auch darin liegt ein fundamentaler Unterschied. Das Land ist gleichzeitig ein notwendiger Partner, um Menschheitsfragen wie den Klimawandel zu lösen. Und es ist ein wichtiger Handelspartner. Ohne China können wir die Welt nicht gestalten. Wichtig ist dabei, dass wir Europäer unsere Interessen in diesem ambivalenten Verhältnis wirksam vertreten können.
Für Deutschland schafft die Rivalität der Supermächte ein Dilemma: Die USA sind die militärische Lebensversicherung, aber China ist der wichtigste Handelspartner.
Wir sehen sehr genau, wie China versucht den Multilateralismus und die internationalen Organisationen zu nutzen, um eigene Interessen durchzusetzen. Indem die Trump-Regierung den Multilateralismus und seine Institutionen infrage gestellt hat, hat sie in den vergangenen vier Jahren leider Schaden angerichtet. Die Stärke der Amerikaner war es immer, ein Netzwerk von Verbündeten zu schaffen. Ich habe in den letzten Wochen den Eindruck gewonnen, dass die neue Biden-Administration das im Blick haben wird.
Nicht nur die deutsche Öffentlichkeit setzt grosse Hoffnungen in die neue Regierung von Joe Biden. Welche dieser Hoffnungen sind begründet und welche nicht?
Die Hoffnung auf eine andere Tonlage ist sicher begründet. Die USA werden aber natürlich auch unter Biden weiter erwarten, dass Deutschland mehr für seine Verteidigung tut. Manche haben Trump als Ausrede benutzt und gesagt: Für dieses Amerika wollen wir unsere Zusagen nicht einhalten. Diese Argumentation funktioniert nicht mehr.
Sie sprechen von der SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands?
Ich spreche von all denjenigen, die Trump als Vorwand benutzt haben, um sich vor Dingen zu drücken, die sie selbst zugesagt haben.
Trump hatte angekündigt, etwa ein Drittel der in Deutschland stationierten amerikanischen Soldaten abzuziehen. Diese Entscheidung hat der US-Kongress Anfang Dezember gekippt. Wie geht es nun weiter?
Ich hoffe auf eine neue Diskussion dazu in den USA. Ich kann nur immer wieder betonen: Die amerikanischen Soldatinnen und Soldaten und ihre Familien sind bei uns immer herzlich willkommen.
Dann lassen Sie uns den Blick auf die deutschen Soldaten in Deutschland werfen. Die Reputation der Bundeswehr ist schlecht. Das hat vor allem mit ihrer sogenannten materiellen Einsatzbereitschaft zu tun. Etwa ein Drittel der Panzer, Schiffe und Flugzeuge ist zurzeit nicht einsatzbereit. Und die politische Verantwortung fürs Verteidigungsministerium liegt seit fünfzehn Jahren bei den Unionsparteien. Was ist schiefgelaufen?
Wir sind bei der Beschaffung zu langsam und zu kompliziert. Wir arbeiten daran, dass das schneller und einfacher wird, unter anderem mit der „Initiative Einsatzbereitschaft“. Hinzu kommt, dass wir über viele Jahre Premiumpartner der deutschen Rüstungsindustrie waren. Dann kam die Zeit, in der die Bundeswehr runtergespart wurde. Das betraf auch die Mittel für Wartung und Ersatzteile. Heute geht es wieder um beides: Auslandseinsätze und Landes- und Bündnisverteidigung. Daher müssen Industrie und Bundeswehr wieder robuste Wartungs- und Bevorratungsstrukturen aufbauen. Das dauert länger, als der Abbau gedauert hat. Aber die Richtung stimmt.
Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, sagte kürzlich, deutsche Truppen müssten wieder „kriegsbereit und siegesfähig“ werden. Teilen Sie diese Aussage?
Das ist der Kern von Landes- und Bündnisverteidigung. Wir müssen stark sein, um den Frieden zu bewahren. Der Inspekteur des Heeres nutzt dafür andere Worte, die für manchen zugegebenermassen martialisch klingen.
Gar nicht martialisch ist das, was die Bundeswehr im Kampf gegen die Corona-Pandemie macht. In vielen Gemeinden helfen Soldaten in den Gesundheitsämtern aus. Es gab im Nachkriegsdeutschland vermutlich keine Zeit, in der das eigene Militär so präsent war im Alltag der Menschen. Hoffen Sie auf einen Imagegewinn?
Es geht darum, dass wir die Pandemie in den Griff bekommen. Als wir schon im Frühjahr ein Corona-Kontingent mit 15.000 Männern und Frauen aufgestellt haben, sind wir von manchen belächelt worden. Mittlerweile sind fast 10.000 Bundeswehrangehörige im Einsatz, und wir haben das Kontingent auf 20.000 aufgestockt, weil in Kürze auch unsere Unterstützung beim Impfen gefragt sein wird. Wir helfen mit der Bundeswehr dort, wo wir gebraucht werden.
Trotzdem ist die gesellschaftliche Akzeptanz für die Streitkräfte in Deutschland viel niedriger als in anderen Ländern.
Das hat etwas mit unserer Vergangenheit zu tun. Auch fehlt das Band, das früher durch die Wehrpflicht geknüpft wurde. Damals war jede Familie irgendwann gezwungen, sich mit dem Thema Bundeswehr auseinanderzusetzen, durch die Frage: Gehe ich hin oder nicht? Ich möchte die Bundeswehr wieder präsenter machen. Dass das durch Amtshilfe im Kampf gegen die Pandemie geschieht, haben wir uns nicht gewünscht. Durch öffentliche Gelöbnisse, jüngst auch wieder live im Fernsehen, und das kostenfreie Zugfahren in Uniform haben wir in dieser Hinsicht Fortschritte machen können. Die Erfahrung der meisten Soldatinnen und Soldaten in der Bahn zeigt, dass sie mit Interesse und Wohlwollen angesprochen werden. Die Leute fragen: „Wieso sind Sie bei der Bundeswehr? Was machen Sie da?“ Da wächst ein bisschen etwas zusammen, und darüber freue ich mich.
Gar nicht erfreuen dürften Sie die Berichte über rechtsextreme Auswüchse. Der Militärische Abschirmdienst hat kürzlich erst in einer Dienststelle des Beschaffungsamtes eine mutmassliche Zelle der selbsternannten Reichsbürger entdeckt. Acht Mitarbeiter stehen unter Verdacht. Wie kann so etwas so lange unbemerkt bleiben?
Die Bundeswehr ist ein Spiegel der Gesellschaft. Wenn es in einer Gesellschaft Reichsbürger gibt, liegt es nahe, dass dieses Phänomen in den Organisationen des Staates auch vorkommt. Richtig ist: Die sogenannte Reichsbürgerszene hatte der Staat lange nicht intensiv genug im Blick. Das hat sich geändert. Positiv an diesem Fall ist, dass die ersten Hinweise aus der Dienststelle kamen und dass wir durch sehr professionelle interne Ermittlungen den Dingen nachgegangen sind. Das zeigt, dass sich in der Bundeswehr etwas ändert.
Ihre bekannteste Baustelle ist das Kommando Spezialkräfte. Zieht das KSKKommando Spezialkräfte rechtsradikale Soldaten an, oder werden Soldaten beim KSKKommando Spezialkräfte rechtsradikal?
Aus heutiger Sicht würde ich ehrlich sagen, dass es in der Vergangenheit wohl eine Mischung war. Es gab sicher einige, die sich mit einer ganz besonderen Vorstellung von Elitekämpfern bewarben. Was wir besonders in der zweiten Kompanie feststellen mussten, wurde mit dem Begriff „toxisches Führungsverhalten“ treffend beschrieben. Dadurch wurden bestimmte, tendenziell fehlgeleitete Vorstellungen unterstützt und verstärkt. Deshalb musste diese Kompanie aufgelöst werden.
Von radikalisierten KSKKommando Spezialkräfte-Angehörigen hat in Deutschland wohl fast jeder schon gehört. Aber nur wenige wissen, dass sich die Soldaten des Verbandes in Afghanistan heftige Gefechte mit Taliban geliefert, dabei ihr Leben riskiert und in einem Fall auch gelassen haben. Da stellt sich die Frage, ob die Bundeswehr ein Kommunikationsproblem hat: Skandale werden öffentlich aufgearbeitet, aber von der Tapferkeit der Truppe wird nicht gesprochen.
Das ist ein schwieriger Spagat. Operationen von Spezialkräften sind eben genau das: spezielle Operationen. Es liegt in der Natur der Sache, dass man nicht auf dem offenen Markt ausbreitet, was man alles kann. Das gilt für alle Spezialkräfte, überall. Wir haben zwar bereits deutlich mehr über das KSKKommando Spezialkräfte kommuniziert als in früheren Jahren – etwa mit einer eigenen Youtube-Serie. Trotzdem hat sich beim KSKKommando Spezialkräfte in der Vergangenheit eine Form der Abschottung herausgebildet, die dazu führte, dass nicht einmal mehr darüber gesprochen wurde, weshalb es das Kommando überhaupt gibt. Zu den Massnahmen, die jetzt intensiv diskutiert werden, gehört deshalb auch die Kommunikation: Wo gibt es Spielräume, um die eigene Arbeit öffentlich darzustellen und darüber zu sprechen, wie man Leben rettet – unter Einsatz des eigenen Lebens? Die Gemeinde Calw (in der das 1996 gegründete KSKKommando Spezialkräfte stationiert ist, westlich von Stuttgart gelegen, Anm. d. Red.) hat in diesem Jahr einen wichtigen Schritt gemacht und von sich aus gesagt, wie stolz sie auf die Truppe ist. Das hat mich gefreut. Wir werden weitere Wege finden, die hervorragenden Leistungen des KSKKommando Spezialkräfte in den Einsätzen auch öffentlich darzustellen.
Wegen der Skandale stand im Sommer die Zukunft des gesamten KSKKommando Spezialkräfte auf der Kippe. Im Herbst hiess es dann, die Reform nehme Gestalt an, eine Auflösung des KSKKommando Spezialkräfte sei aber nicht vom Tisch. Gibt es einen neuen Stand?
Wir kommen voran. Die alte Mauer des Schweigens bröckelt, und ein grosser Teil der KSKKommando Spezialkräfte-Soldatinnen und -Soldaten geht den Weg mit. Für mich entscheidend ist, dass es keine neuen Vorfälle gibt.
Sie sagen: KSKKommando Spezialkräfte-Soldatinnen und -Soldaten. Bisher hat dort aber noch keine Frau die Aufnahmeprüfung für Kommandosoldaten bestanden.
KSKKommando Spezialkräfte-Soldaten, Sie haben recht. Wobei es im KSKKommando Spezialkräfte an anderer Stelle natürlich Frauen gibt, nur nicht bei den Kommandokräften selbst.
Braucht es dafür vielleicht eine Quote? In der zivilen Welt gehören Sie zu deren besonders energischen Befürworterinnen.
Bei den Kommandokräften des KSKKommando Spezialkräfte, anders als bei anderen Spezialkräften, gibt es noch keine einzige Frau. Das ist sicher nicht in Stein gemeisselt. Wir werden Frauen haben, die die notwendigen Anforderungen des KSKKommando Spezialkräfte erfüllen.
Warum schaffen Sie als Ministerin nicht zumindest in Ihrem unmittelbaren Umfeld Tatsachen? Ihre Generalinspekteure sind allesamt Männer.
Gute Frage. Als ich in diesem Amt angefangen habe, habe ich sie auch gestellt. Und dann wurde mir der Weg aufgezeichnet. Sie müssen unterscheiden zwischen der Sanität und den anderen Bereichen der Bundeswehr. Letztere wurden erst spät, im Jahr 2000, überhaupt für Frauen geöffnet. Generalinspekteur oder Inspekteur einer Teilstreitkraft wird man nicht einfach durch Ernennung oder als Quereinsteiger. Man muss die komplette militärische Laufbahn vollzogen haben, inklusive aller Lehrgänge und mit erstklassigen Bewertungen. Realistisch muss man also sagen: Vor dem Jahr 2030 wird es in der Bundeswehr ausserhalb der Sanität noch keine Generalin geben. Es gibt viele Soldatinnen, die unsere entsprechenden Lehrgänge und Karrierestationen absolvieren, auch mit hervorragenden Ergebnissen. Es wird also kommen.