Die Fraktionen von Union und SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands haben sich auf die Ausgestaltung des Neuen Wehrdienstes geeinigt. Die Einigung wurde nach intensiven Beratungen von Verteidigungsminister Boris Pistorius mit den Spitzen der Fraktionen verkündet. Pistorius sagte: „Wir haben einen vernünftigen Kompromiss, ein sehr gutes Wehrdienstgesetz gefunden.“
Wozu dient der Neue Wehrdienst?
Der Neue Wehrdienst dient vor allem zum Aufwuchs der Reserve, gleichzeitig soll die aktive Truppe davon profitieren, gerade im Bereich der Mannschaften. Die Bundeswehr soll angesichts der sicherheitspolitischen Lage in Europa zur Landes- und Bündnisverteidigung einschließlich der Reserve Personal von insgesamt 460.000 Soldatinnen und Soldaten umfassen. Bis 2035 sollen die Streitkräfte über 260.000 Zeit- und Berufssoldaten und -soldatinnen sowie 200.000 Reservistinnen und Reservisten verfügen. Dabei setzt der Minister vor allem auf Freiwilligkeit und auf einen attraktiven Dienst.
Wird die Wehrerfassung wieder eingeführt?
Ja. Wenn das Gesetz zum Neuen Wehrdienst voraussichtlich zum 1. Januar 2026 in Kraft tritt, wird die Wehrerfassung wieder eingeführt. Das bedeutet: Alle 18-jährigen Männer und Frauen erhalten ab Anfang 2026 einen Fragebogen. Mit diesem Fragebogen werden ihre Motivation und Eignung für den Dienst in den Streitkräften ermittelt. Für Männer ist die Beantwortung des Fragebogens verpflichtend, für Frauen freiwillig.
Müssen auch Transpersonen den Fragebogen ausfüllen?
Ja, auch Transpersonen, die das männliche Geschlecht angenommen haben, sollen verpflichtet werden können, einen Fragebogen auszufüllen. Maßgeblich ist der bei den Meldebehörden hinterlegte Geschlechtseintrag.
Sieht der Neue Wehrdienst eine verpflichtende Musterung für alle jungen Männer eines Jahrgangs vor?
Ja. Für alle Männer, die ab dem 1. Januar 2008 geboren wurden, wird die Musterung wieder zur Pflicht. Sie soll ab dem 1. Juli 2027 beginnen. Wenn die Kapazitäten der Bundeswehr zur Musterung voll ausgebaut sind, soll diese schrittweise entsprechend dem Aufbau der Musterungskapazitäten auf den gesamten Jahrgang ausgeweitet werden. Im ersten Jahr sollen zunächst rund 20.000 Freiwillige aus einem Jahrgang gewonnen werden. Bei vollen Musterungskapazitäten soll dann ein kompletter Jahrgang mit etwa 300.000 Männern vollständig gemustert werden, um einen Überblick über die Wehrfähigkeit zu gewinnen. Auf Basis der Fragebögen und der Musterungsergebnisse kann die Bundeswehr im Verteidigungsfall auf einen Pool potenzieller Rekrutinnen und Rekruten zurückgreifen.
Wie läuft der Tag der Musterung voraussichtlich ab?
Kreiswehrersatzämter gibt es nicht mehr, die Karrierecenter und die neu aufzubauenden Musterungszentren der Bundeswehr werden die Anlaufstellen sein. Das Verfahren der Musterung ist praktisch am schwedischen Modell orientiert. Die Umgebung in den Karrierecentern und Musterungszentren soll hell und freundlich sein. Während eines Tagesdurchlaufs wird eine bestimmte Anzahl von Personen gemustert. Dabei werden die körperliche, psychische und intellektuelle Eignung und Neigung der jeweiligen Person festgestellt. Am Ende des Tages soll es dann ein konkretes Ergebnis geben. Es wird dem zu Musternden mitgeteilt und ein abschließendes Beratungsgespräch geführt, in welche Richtung es für die jeweilige Person weitergehen kann.
Ist der Neue Wehrdienst freiwillig?
Es wird ein Dienst auf freiwilliger Basis angestrebt. In der Vereinbarung ist aber ein Korridor der Aufwuchszahlen der Bundeswehr bis 2035 insgesamt gesetzlich festgehalten. Es geht um den gesamten Personalstand der Bundeswehr. Diese Zahlen müssen halbjährlich dem Bundestag berichtet werden. Der Aufwuchskorridor setzt sich zusammen aus den aktuellen Zahlen aus Zeit- und Berufssoldaten und -soldatinnen sowie aus Wehrdienstleistenden des Neuen Wehrdienstes beziehungsweise Reservistinnen und Reservisten. Diese dürften sich von Jahr zu Jahr unterschiedlich entwickeln. Wird dieser Aufwuchskorridor angesichts der gesetzten Zielvorgaben nicht eingehalten, kann es zu einer „Bedarfswehrpflicht“ kommen. Darüber müsste dann zunächst der Bundestag in einem erneuten Gesetzgebungsverfahren abstimmen.
Was bedeutet „Bedarfswehrpflicht“?
Wenn es die verteidigungspolitische Lage oder die Personallage der Streitkräfte erforderlich macht, entscheidet der Bundestag per Gesetz über die Einsetzung einer „Bedarfswehrpflicht“. Diese soll dann die Lücken zwischen dem Bedarf der Streitkräfte und der tatsächlichen Zahl der zur Verfügung stehenden schließen. Die „Bedarfswehrpflicht“ ist nicht mit der Wehrpflicht früherer Tage zu vergleichen.
Wird es ein Losverfahren geben?
Wenn die Zahl der Freiwilligen nicht dem Bedarf der Bundeswehr entspricht, muss sich das Parlament erneut mit dem Wehrdienst befassen. Die Entscheidung, ob es ein Zufallsverfahren beziehungsweise Losverfahren geben soll, ist dann dem Bundestag vorbehalten. Nach Anwendung aller Maßnahmen ist also gewissermaßen als Ultima Ratio ein Zufallsverfahren oder Losverfahren denkbar.
Wird es einen Automatismus zur Aktivierung der Wehrpflicht geben?
Nein, das sieht die Vereinbarung definitiv nicht vor. Die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht würde ein ganz neues parlamentarisches Verfahren notwendig machen.
Wie wird der Neue Wehrdienst vergütet?
Junge Menschen, die sich freiwillig für den Neuen Wehrdienst entscheiden, erhalten ein attraktives Angebot. Dazu gehören eine moderne Ausbildung und eine monatliche Vergütung von mindestens 2.600 Euro brutto, der Soldat beziehungsweise die Soldatin auf Zeit (SaZSoldatinnen und Soldaten auf Zeit, ein Jahr) erhält 2.700 Euro brutto, inklusive Unterbringung. Es soll möglichst auf eine wohnortnahe Verwendung geachtet werden. Bei einer Verpflichtung für mindestens ein Jahr wird zudem ein Zuschuss für den Pkw- oder LkwLastkraftwagen-Führerschein gewährt und die Soldatinnen und Soldaten als Soldat beziehungsweise als Soldatin auf Zeit nach dem Bundesbesoldungsgesetz besoldet.
Wie lang dauert der Neue Wehrdienst?
Der Wehrdienst dauert mindestens sechs Monate. Ansonsten kann jede Person individuell entscheiden, wie lange sie Wehrdienst leisten möchte. Bei entsprechender Eignung sind sogar längere Verpflichtungszeiten von bis zu 25 Jahren möglich.
Bleibt der Status Freiwillig Wehrdienstleistender und Soldat auf Zeit erhalten?
Der Kompromiss der Koalitionäre sieht vor: Freiwillig Wehrdienstleistende bleiben mit einer Verpflichtungsdauer von sechs bis elf Monaten im Status der Freiwillig Wehrdienstleistenden. Ab zwölf Monaten wechseln sie dann in den Status des Soldaten beziehungsweise der Soldatin auf Zeit (SaZSoldatinnen und Soldaten auf Zeit).
Wie geht es weiter?
Das Gesetz zur Modernisierung des Wehrdienstes ist mit dieser Einigung auf Ebene der Regierungsfraktionen aus CDUChristlich Demokratische Union/CSUChristlich-Soziale Union und SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands noch nicht beschlossen. Der Bundestag wird voraussichtlich Anfang Dezember über den Gesetzentwurf entscheiden. Dann muss sich noch der Bundesrat damit befassen. Das Gesetz zum Neuen Wehrdienst soll ab 1. Januar 2026 in Kraft treten.
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