Die Verteidigungsministerin leitete von Berlin aus eine Sitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Debattiert wurde über den effektiveren Schutz der Menschenrechte in Friedensmissionen.
Das werde eine intensive Debatte, hatte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer gleich zum Auftakt angekündigt. Und sie behielt recht. Deutschland hatte das Thema Menschenrechte und Friedensmissionen zum ersten Mal als offizielle Sitzung auf die Agenda des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gesetzt. Die Bundesministerin der Verteidigung leitete die coronabedingt virtuelle Sitzung vom Bendlerblock aus. Sie wurde live im Netz übertragen. Deutschland hat im Juli zeitgleich mit der EUEuropäische Union-Ratspräsidentschaft auch den monatlichen Vorsitz im Sicherheitsrat übernommen.
Frieden und Sicherheit sind untrennbar mit dem Schutz fundamentaler Rechte verknüpft. Wo sie verletzt werden, kann weder Sicherheit sein noch Frieden.Verteidigungsministerin AKK vor der Sitzung des UNUnited Nations-Sicherheitsrats,
Menschenrechte sind ein kontroverses Thema im Sicherheitsrat – insbesondere für manche der ständigen Mitglieder. Im Zentrum der Sitzung stand ein Erfahrungsaustausch, wie Friedensmissionen effektiver zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte genutzt werden können – und welchen Beitrag weibliche Blauhelme dazu leisten könnten.
Vonseiten der Vereinten Nationen gaben die UNUnited Nations-Menschenrechtshochkommissarin Michelle Bachelet und der Leiter von UNMISSUnited Nations Mission in South Sudan (United Nations Mission in South Sudan) im Südsudan, David Shearer, als Sachverständige Briefings während der Sitzung. „Menschenrechte sind die gemeinsame Grundlage des Systems der Vereinten Nationen“, sagte Bachelet. „Und zentral für das Gelingen von Friedensmissionen.“ Es seien gemeinsame Anstrengungen nötig, um den Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen – Frauen, Kinder, Binnenflüchtlinge – in den Krisenregionen zu gewährleisten. Von deutscher Seite war es besonders wichtig, dass Hochkommissarin Bachelet dieses Thema im Sicherheitsrat adressieren konnte.
David Shearer ergänzte Bachelets Ausführungen mit praktischen Erfahrungen aus dem Südsudan. Der Schutz der Menschenrechte sei das Hauptthema in dem jungen Land, das von Machtkämpfen zwischen den Ethnien erschüttert wird. „Wir wollen mit unserer Arbeit nachhaltiges Handeln ermöglichen“, so der Missionsleiter. Menschenrechtsverletzungen lediglich zu dokumentieren, reiche nicht aus: „Wir müssen die Täter auch zur Rechenschaft ziehen.“ Das erfordere einen funktionierenden Rechtsstaat und die Zusammenarbeit mit der Regierung. Als dritter Sachverständiger und Vertreter der Zivilgesellschaft war Dismas Kitenge aus der Demokratischen Republik Kongo zugeschaltet. „Menschenrechte sind ein Querschnittsthema und das Herzstück der UNUnited Nations-Friedensmissionen“, sagte der Präsident der Menschenrechtsorganisation Lotus, die eng mit der ansässigen Friedensmission zusammenarbeitet.
Nach den Briefings ergriff die Gastgeberin das Wort für Deutschland. Im Rahmen des nationalen Statements setzte die Bundesministerin der Verteidigung den Ton für die weitere Debatte im UNUnited Nations-Sicherheitsrat: Sie hob hervor, Menschenrechte könnten erst universell sein, wenn sie von niemandem mehr hinterfragt und unterminiert würden, wenn keine Grenzen mehr verletzt und verschoben würden und wenn Rede- und Versammlungsfreiheit überall gewährleistet sei. Sie unterstrich die Unveräußerlichkeit der Menschrechte. Gerade während der andauernden COVID-19Coronavirus Disease 2019-Krise sei erkennbar, wie der Vorwand der Pandemiebekämpfung genutzt werde, um nationale Kräfteverhältnisse gewaltsam zu verändern und Menschenrechtsverstößen Vorschub zu leisten.
„Auch militärische Erfolge von Friedensmissionen sind nur dann möglich, wenn die Grundrechte standhaft verteidigt werden.“ Der Sicherheitsrat habe daher eine besondere Verpflichtung, so die Ministerin weiter. Sie betonte in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit der Ausstattung der Menschenrechtskomponenten mit adäquaten Ressourcen.
Das Verhalten der Blauhelmtruppen habe direkten Einfluss darauf, was die Menschen von den UNUnited Nations und ihren Einsätzen halten würden, so die Ministerin. Peacekeeperinnen und Peacekeeper dienten als Vorbilder. Daher müssten Menschenrechte noch zentralerer Bestandteil ihrer Einsatzvorbereitung werden. In den deutschen Streitkräften ist dies bereits der Fall, aber zukünftig sollen Menschenrechte verpflichtender Anteil der einsatzvorbereitenden Ausbildung für UNUnited Nations-Truppenstellende durch die Bundeswehr sein. „Das Ziel ist, menschenrechtliche Aufgaben besser in die Operationen einzubinden“, sagte Kramp-Karrenbauer.
Die fünf ständigen und die zehn nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrates kamen in der folgenden Aussprache zu Wort. Jede Landesvertreterin und jeder Landesvertreter hatte fünf Minuten Redezeit, um den nationalen Standpunkt zu vertreten. Zahlreiche Rednerinnen und Redner schlossen sich den Ausführungen der Ministerin an. So wurden insbesondere die Wichtigkeit der Strafverfolgung von Tätern von Menschenrechtsverletzungen sowie die zentrale Rolle von Frauen in Friedensmissionen betont. Menschenrechte könnten Ursache und Folge von Konflikten sein. Aber ohne Menschenrechte könne es keinen Fortschritt oder nachhaltigen Frieden geben. Friedensmissionen benötigten darauf zugeschnittene Mandate, gut ausgebildetes Personal und adäquate Finanzierung, um zur effektiveren Förderung und besseren Schutz von Menschenrechten beizutragen. Vereinzelte Ländervertreter machten jedoch deutlich, dass das Ziel von UNUnited Nations-Friedensmissionen nur die Hilfe bei der politischen Beilegung von Konflikten sein sollte. Eine zu starke Politisierung des Themas Menschenrechte sei nicht zielführend und der UNUnited Nations-Sicherheitsrat sei kein Menschenrechtsgremium.
Nach drei Stunden beendete Kramp-Karrenbauer die Sitzung des UNUnited Nations-Sicherheitsrats. Feierabend hatte sie trotzdem noch nicht, auch wenn es draußen langsam dämmerte: Die Ministerin ließ sich gleich im Anschluss mit Mitgliedern des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag verbinden. Sie berichtete von der vorhergehenden Sitzung und ihren Eindrücken. Unterstützung bekam Kramp-Karrenbauer von Oberst i. G. Wolfgang Köhler: Er war erst am vergangenen Donnerstag nach 16 Monaten aus dem Südsudan zurückgekehrt, wo er im Rahmen der UNMISSUnited Nations Mission in South Sudan-Mission als Führer der 242 internationalen Militärbeobachter und dienstältester deutscher Offizier eingesetzt war.
Die Diskussion zu Menschenrechten und Friedensmissionen wird vom BMVgBundesministerium der Verteidigung (Bundesministerium der Verteidigung) weitergeführt: So sollen im letzten Quartal 2020 im Rahmen einer hochrangigen Konferenz Menschenrechte und der Schutz der Zivilbevölkerung durch Friedensmissionen diskutiert werden.