Annegret Kramp-Karrenbauer wirbt auf einer virtuellen Reise in die nordischen Staaten für eine engere strategische Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik. Nur so könne Europa widerstandsfähiger werden.
Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen: Die Verteidigungsministerin hatte im Vorfeld der deutschen EUEuropäische Union-Ratspräsidentschaft eine große Reise durch die nordischen Staaten geplant. Kramp-Karrenbauer wollte bei den nördlichen Nachbarn für eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit werben. Ab Juli übernimmt Deutschland unter dem Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“ für sechs Monate die organisatorische Führung der Europäischen Union.
Die Coronakrise zwang die Ministerin zum Umdisponieren. Die Dienstreise musste abgesagt werden, weil der Reiseverkehr zwischenzeitlich zum Erliegen gekommen war. Statt persönlich auf ihre Amtskollegen zu treffen, griff Kramp-Karrenbauer auf Videoschalten und Telefonkonferenzen zurück. Sie nahm außerdem von Deutschland aus an mehreren Websessions der sicherheitspolitischen Denkfabriken der nordischen Länder teil. Mehrere große Tageszeitungen druckten Namensartikel der Ministerin, um ihre Botschaften einem breiten Publikum zu vermitteln.
Die Corona-Krise bietet die Gelegenheit, nicht nur den vorherigen Zustand bloß wiederherzustellen, sondern nach vorn zu schauen und die Krise als Chance für Europa zu begreifen“, schrieb die Ministerin in den Zeitungen Dagens Nyheter (Schweden), Helsingin Sanomat (Finnland), der Jyllands Posten und der Altinget (Dänemark). Die Länder Europas müssten die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger in jeder Lage gewährleisten können, somit widerstandsfähiger gegen Bedrohungen werden. „Wenn wir auf europäischer Ebene handlungsfähiger werden und zu einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung kommen, können wir unsere Resilienz gegenüber neuen Krisen und Konflikten erhöhen.“
Gemeinsamen Herausforderungen könne auch nur gemeinsam begegnet werden, so Kramp-Karrenbauer. Das internationale Umfeld werde von Umbrüchen und Unordnung geprägt: China strebe verstärkt nach Macht, Russland ergehe sich in „aggressiven Muskelspielen.“ Hinzu kämen Desinformationskampagnen und Hackerangriffe aus dem Netz, der transnationale Terrorismus und natürlich auch der Klimawandel.
„Es ist von zentraler Bedeutung, ein gemeinsames europäisches Verständnis von Bedrohungen zu schaffen und Prioritäten zusammen neu auszurichten“, schrieb die Ministerin. Dazu gehöre beispielsweise die engere Verzahnung von EUEuropäische Union und NATO. Die europäischen Länder teilten nicht nur gemeinsame Werte, sondern auch gemeinsame Interessen. Das sei Europas Stärke – nun gelte es, diese auch auszuspielen: „Mit einer starken Stimme und mit vereinten Kräften. Um Europa gemeinsam wieder stark zu machen.“
Die Stärkung der Widerstandsfähigkeit Europas stand auch im Zentrum ihrer virtuellen Reden am Atlantic Council in Stockholm, dem Danish Institute for International Studies in Kopenhagen, dem Finnish Institute for International Affairs in Helsinki und dem Norwegian Institute of International Affairs in Oslo. „NATO und EUEuropäische Union spielen bei der Resilienz eine herausgehobene Rolle“, so Kramp-Karrenbauer. „Sie bieten den organisatorischen, aber auch den emotionalen Rahmen für den Zusammenhalt in Europa.“
Um die Sicherheitslage in der Arktis und den Umgang mit den russischen Aktivitäten in der Region ging es in Kramp-Karrenbauers Videokonferenz mit dem NATO Joint Warfare Centre in Stavanger. Die Arktis gewinnt wegen des Klimawandels an militärstrategischer Bedeutung; zudem gilt sie als rohstoffreich.
„Deutschlands Absicht ist es, den hohen Norden inklusive der Arktis als konfliktarme und friedlich genutzte Region zu erhalten und internationale Kooperationen zu fördern“, sagte die Ministerin. Ein Dialog aller in der Arktis engagierten Staaten inklusive Russland sei unabdingbar, zudem müsse sich die NATO intensiver mit der Region befassen. Das NATO Joint Warfare Centre leiste dazu einen wichtigen Beitrag, so Kramp-Karrenbauer. Das durfte auch als Lob an die in Stavanger stationierten Deutschen verstanden werden: Rund 40 Soldatinnen und Soldaten Bundeswehr dienen in der norwegischen Küstenstadt.